Corona-Impfstoffe: Sind Wachstums-Aktien nun out ?
Impfstoff-Hoffnungen bewirken starke Sektorrotation
Seit Montag, d. 09.11. setzte sich mit stark genährten Hoffnungen, ein erster Corona-Impfstoff der Mainzer BIONTECH (US09075V1026) könnte in Kooperation mit dem US-Pharmagiganten PFIZER (US7170811035) nach sehr überzeugenden Studienergebnissen im Rahmen der 3. und damit nun letzten klinischen Testphase kurz vor der internationalen Marktzulassung stehen, die letztwöchige - politisch geprägte - Rallye an den internationalen Aktienmärkten natürlich ungebrochen fort.
Und ebenso plausibel war es auch, dass zeitgleich mit den hiermit einhergehenden Erwartungen, zumindest in den entwickelten Ländern könnten im Falle kurzfristiger ausreichender Impfstoff-Bereitstellungen nunmehr sehr rasche Wirtschaftsnormalisierungen eintreten, gerade hoch konjunktursensible „Value“-Aktien des Industrie- und Finanzbereichs wahre Kursfeuerwerke abbrannten.
Chart: MSCI WORLD (Euro) - Index per 11.11.2020
Jedoch ist hiermit, wie oben ersichtlich, der MSCI World (Euro)-Index damit natürlich nun bereits wieder grundsätzlich in sein charttechnisches „Hochplateau“ vorgestoßen, ab dem von nun an im Falle einer zunehmenden Euphorisierung der Wirtschafts- und Aktienstimmung und einer hierauf durchaus möglichen Rallyefortsetzung an den Aktienmärkten die Luft ab nun natürlich wieder zunehmend dünner zu werden beginnt.
Unter der Berücksichtigung, dass sich das aktuelle MSCI WORLD (Euro) - Index - KGV (2021e) von 19,7 weiterhin auf seinem 18 Jahres-Hoch befindet, wird sich von nun an, je nach dem Grad weiterer nicht ausgeschlossener Rallye-Fortsetzungen oder gar auch -Exzesse, das Risiko längerfristig umso schärfer ausfallender Aktienmarktkorrekturen daher künftig von nun an erneut exponentiell erhöhen.
Nachdem jedoch der allerjüngste Chartausbruch des MSCI WORLD - Indexes seit 09.11. einmal mehr von einer hochschießenden Wirtschaftsbelebungs-Phantasie und entsprechenden Kurssprüngen besonders konjunktursensibler (Value-)Aktien geprägt war, während nicht etwa nur zuletzt „corona-begünstigte“, sondern generell nahezu alle langfristig besonders krisenresistenten Qualitäts-Wachstums (Growth) - Aktien in den letzten 2 Tagen erneut massiv unter die Räder gerieten, ist es daher nunmehr an der Zeit, die stilistischen Segmente von Growth- und Value- Aktien in einem aktualisierten Vergleich erneut gegenüberzustellen, sowohl was ihre gegenwärtigen Bewertungskonstellationen wie auch weiteren Performanceaussichten angeht.
Hierzu ist vorab natürlich bereits klar festzuhalten, dass Value- gegenüber Growth-Aktien mit Ausbruch der Corona-Krise in neue, historisch noch nicht dagewesene, schlagartige Relative Schwäche- bzw. Underperformance-Terrains vorgestoßen sind, mit denen sich dieser schon jahrzehntelang bestehende Grundtrend (jedoch völlig plausibel und nachvollziehbar) in völlig neuen Dimensionen zu Lasten der Value-Aktien fortgesetzt hat.
Nachstehender Relative Stärke-Chart illustriert diese seit dem Corona-Ausbruch massiv ausgeweitete Underperformance von Value- zu Growth-Aktien dabei bestens, wobei die hierbei herangezogenen, stilistisch exakt voneinander abgegrenzten US-amerikanischen RUSSELL 1000 – VALUE- vs. GROWTH- Indizes unseres Erachtens unter allen international verfügbaren Indizes methodisch grundsätzlich die aussagekräftigste Basis für diese Gegenüberstellung bilden.
Chart: Relative Stärke RUSSELL 1000 VALUE zu GROWTH – Index
Aus diesem Chart ist somit das auch bereits in den letzten 2 Tagen verstärkt gesehene Phänomen unübersehbar, dass konjunktursensible Value-Aktien nach ihrer schon brachialen, historisch einmalig ausgeprägten Underperformance gegenüber konjunkturstabilen Growth-Aktien nun in der Tat immer mehr Anstalten machen, diesen seit Februar 2020 doch sehr extrem ausgefallenen Effekt künftig zumindest teilweise wieder auszubügeln.
Wir wollen daher auch in keiner Weise in Abrede stellen, dass zumindest unter relativen Performance-Gesichtspunkten die jetzt offenbar gestartete Aufholjagd von Value-Aktien an diesem jetzigen Punkt bereits abgeschlossen wäre, sondern sich kurzfristig rein performanceseitig auch noch weiter in einer beträchtlichen Ausprägung fortsetzen kann und wohl auch wird.
Nimmt man hierfür die oben im Chart dargestellten 2 Russell 1000 - Indizes zum Maßstab, so würde dies im Falle eines künftigen Wieder-Anstiegs dieses aktuellen Quotienten von seinem jetzigen Wert von 0,58 allein auf einen historischen Trend-Mittelwert von 0,68 nichts anderes bedeuten, dass bei einem sich hieraus ergebenden Faktor von 1,17 (= 0,68 / 0,58), also einem positiven Relative Stärke-Faktor von + 17 % die im Russell 1000 - Value - Index vertretenen Aktien rein performancetechnisch nun ein weiteres Potenzial hätten, um + 17 % zu steigen, während der Russell 1000 - Growth - Index komplett stagniert, oder um + 27 % zuzulegen, falls der Russell 1000 Growth - Index kurzfristig um + 10 % steigt etc..
Auch wenn dies das denkbare Ausmaß der weiteren Performance-Aufholung von Value- zu Growth-Werten natürlich nur rein hypothetisch und charttechnisch skizzieren soll, und hierbei natürlich von jeglichen Bewertungs- und Unternehmensgewinn-Erwartungsgesichtspunkten vollkommen abstrahiert wird, so soll dies jedoch generell einen Eindruck dafür liefern, wie hoch dieses Aufholpotenzial von Value- gegenüber Growth-Aktien aktuell im historischen Kontext grundsätzlich rein charttechnisch zu veranschlagen ist, bis wenigstens wieder einmal das „Normalmaß“ der vergangenen Relative Stärke-Trendentwicklung erreicht wäre.
Anleger, die im reinen Vertrauen auf die kurzfristige, rein technische Outperformance-Fortsetzung von Value-Aktien daher ungeachtet aller Bewertungsfragen nun weiterhin Umschichtungen aus Growth-Aktien heraus oder gar gänzliche Neuengagements vorrangig in Value-Aktien tätigen wollen, können dies unter diesen (trading-)taktischen Erwägungen kurzfristig daher natürlich auch weiterhin jederzeit tun, und ein derartiges Vorgehen hätte derzeit auch unsere ungeteilte anlagestrategische Unterstützung.
Nur, wie verhält es sich denn derzeit tatsächlich auch mit der fundamentanalytisch, d.h. auch bewertungsseitig überhaupt gegebenen Rechtfertigung nunmehr verstärkter oder gar alleiniger Investments in Value- zu Lasten von Growth-Aktien, oder erst Recht zum Zeitpunkt, wenn o.g. Relative Stärke-Maß der Russell-Value vs. Growth-Indizes wieder in den jüngsten historischen „Normal-Korridor“ eines Quotienten-Wertes von rd. 0,68 zurückgesprungen wäre ?
Dies werden wir nun nachstehend auch aus fundamentalanalytischer und bewertungstechnischer Sicht verdeutlichen, und zwar ebenfall anhand der vorliegenden umfangreichsten und daher aussagefähigsten Datenbasis für diverse US-Indizes.
Fundamentalanalytische Bewertung Value- vs. Growth-Aktien
Beginnen wir daher erst einmal mit einer isolierten Bestandsaufnahme nur für das Jahr 2021.
Hier weist der klar industrie- und finanzdominierte, d.h. value-orientierte Dow Jones Industrials 30-Index derzeit bei einem geschätzten 2021er Nettogewinnwachstum um ca. + 24 % ein KGV (2021e) von 23,5 auf. Der klassischerweise als Growth-Benchmarkindex fungierende NASDAQ 100-Index wird hingegen aktuell mit einem KGV (2021e) von 31,3 bewertet, gepaart mit einem im Analystenkonsens prognostizierten Nettogewinnwachstum in 2021 von nur ca. + 18 %.
Auch allein nur bei isolierter Betrachtung der Gewinnperspektiven für 2021 und Gegenüberstellung der gegenwärtigen Index-KGVs mag es daher ebenfalls begründet sein, Value-Aktien aktuell vermeintlich als attraktiver einzuschätzen als Growth-Aktien und mit zusätzlichem o.g. charttechnischen Hintergrund daher im Falle eines tradingorientierten Anlagestils nun die „taktische Karte einer kurzfristig weiter anhaltenden Value Aktien-Outperformance zu spielen“.
Ein derartiger tradingorientiert-taktischer Anlagestil entspricht (abgesehen von fallweisen Stop Loss-Setzungen) allerdings grundsätzlich nicht dem Anlagestil unserer grundsätzlich unter längerfristigen, vermögensverwaltenden Maximen aufgelegten Strategie- und Themendepots, so dass für uns die ergänzend ebenfalls zu treffenden Kalküle von Investmentscheidungen auf Basis längerfristiger (i.d.R. mindestens 3 jähriger) Gewinn- und KGV-Bewertungs-Konstellationen klar im Vordergrund unserer Investmentphilosophie stehen.
Und spätestens bei derartigen - auch global von allen institutionellen und marktbeherrschenden Großinvestoren - üblicherweise vorrangig angestellten längerfristigen strategischen und nicht etwa kurzfristigen taktischen Investitionsentscheidungen, kann, um dies vorwegzunehmen, ein Bewertungs- und Attraktivitätsvergleich auch ganz klar weiterhin nur zu Gunsten von Growth- und zu Lasten von Value-Aktien ausfallen, exakt wie es auch dem grundsätzlichen Anlagefokus unserer Strategie- und Themendepots entspricht.
Die Begründung hierfür liegt im Wesentlichen in der Perspektive langfristiger (d.h. mindestens bis 2023 geschätzter) allgemeiner Nettogewinn-Entwicklungen von Growth-Unternehmen sowie ihren zugehörigen Aktien-KGVs in Gegenüberstellung mit der derzeit gleichartig geltenden perspektivischen Konstellation für Value-Aktien.
In der Regel werden hierbei die langfristig geschätzten KGVs einer Aktie dabei direkt in einer verdichteten Quotienten-Bildung durch die entsprechend langfristig geschätzten jahresdurchschnittlichen Nettogewinn-Wachstumsraten des Unternehmens geteilt, was als Quotienten-Resultat fachenglisch dann als die sog. PEG-Ratio einer Aktie bezeichnet wird (d.h. je höher die PEG-Ratio, desto teurer / unattraktiver ist eine Aktie bewertet).
Und gerade nach diesem, für das Management unserer Depots maßgeblichsten Ansatz mindestens auf 3 Jahre vorausgeschätzter PEG-Ratios kann ein solches Werturteil aktuell nur zugunsten des gesamten Bereichs konjunkturstabiler Growth-Aktien ausfallen.
Denn hiernach ergeben sich, am systematischsten differenziert nach den einzelnen Branchenindizes des S&P 500-Leitindexes aktuell folgende Parameter jeweiliger langfristiger Gewinnwachstumsschätzungen und zugehöriger PEG Ratios-, nachstehend untergliedert in die 2 Teilbereiche Value und Growth (Quelle: Yardeni Research Inc., New York)
Value:
S&P Industrie: Gewinnwachstum + 3,9 % p.a. / PEG-Ratio 5,7
S&P Nichtzyklischer Konsum: Gewinnwachstum + 6,6 % p.a. / PEG-Ratio 3,0
S&P Energie: Gewinnwachstum - 1,5 % p.a. / PEG-Ratio 3,0
S&P Finanzwerte: Gewinnwachstum + 2,4 % p.a. / PEG-Ratio 9,8
S&P Versorger: Gewinnwachstum + 4,3 % p.a. / PEG-Ratio 4,4
Growth:
S&P Zyklischer Konsum (z.B. Mode/Luxus): Gewinnwachstum + 19,8 % p.a. / PEG-Ratio 1,6
S&P Informationstechnologie: Gewinnwachstum + 13,5 % p.a. / PEG-Ratio 1,8
S&P Kommunikationsdienste: Gewinnwachstum + 15,8 % p.a. / PEG-Ratio 1,3
S&P Gesundheitswesen: Gewinnwachstum + 11.0 % p.a. / PEG-Ratio 1,4
S&P Materialien (vor allem Metalle): Gewinnwachstum + 18,6 % p.a. / PEG-Ratio 1,0
FAZIT
Die Darlegung der aktuellen Ausgangskonstellationen im Value- vs. Growth-Aktien-Segment zeigt eindeutig auf, dass nach den zuletzt aufgekommenen Hoffnungen einer unmittelbar bevorstehenden Corona-Impfstoffeinführung mit Blick auf die hierdurch steigende Wahrscheinlichkeit stärkerer globaler Wirtschaftserholungen verstärkte Engagements in Value-Aktien sowohl unter charttechnischen wie auch Bewertungsaspekten (jedoch allein bezogen auf das Jahr 2021) kurzfristig auch weiterhin vollauf vertretbar sind.
Unter Berücksichtigung ihrer langfristig weitaus bescheideneren Gewinnwachstumsperspektiven (Maßstab der PEG-Ratios) sind Value-Aktien gegenüber Growth-Aktien jedoch aktuell in der Breite fraglos klar als unattraktiv bewertet einzustufen.
Mit einem Ausbau der relativen Stärke von Value- zu Growth- Aktien gemessen am vorangehenden Chartbild der 2 Russell 1000 – Indizes über ihren trendhistorisch letzten neutralen Wert von ca. 0,68 – 0,70 hinaus rechnen wir daher keinesfalls mehr bzw. wäre aus unserer Sicht ein fundamentalanalytisch klares Signal, ab diesem Punkt unter dem Aspekt der künftigen relativen Performanceaussichten wieder zunehmend zu Verkäufen von Value-Aktien zu Gunsten langfristig aussichtsreicherer Growth-Aktien überzugehen.
Wir behalten daher auch die grundsätzlich eher längerfristig ausgelegte Ausrichtung unserer Strategie- und Themendepots auf qualitativ aussichtsreichste und dennoch zugleich günstig bewertete Wachstumstitel weiterhin unverändert bei.
Da dieses Wachstumsaktien-Segment jedoch durch unverkennbar verstärkte, wenn auch sicher nur temporäre Umschichtungen in Value-Titel entgegen seiner langfristig sehr attraktiven Bewertung zuletzt einen teilweise starken Abgabedruck verzeichnete, und nicht auszuschließen ist, dass dieses Reallokations-Muster auch noch maximal bis zum Jahresende weiter Bestand haben könnte, haben wir heute in der Mehrzahl all unserer Strategie- und Themendepot-Aktien die gesetzten Stop Loss-Marken noch weiter moderat angehoben.
Die aktualisierten Stop Loss-Kurse können Sie bereits den zugehörigen Übersichtstabellen zu allen Depots in unserer Website entnehmen.
11.11.2020 - Matthias Reiner - mr@ntg24.de
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