Basel 3 und Gold
Ein Marktbericht von Arndt Kümpel
Manchmal ist es ratsam, öffentliche Dokumente mit denselben Augen zu lesen wie Versicherungsverträge. Denn wie in Letzteren kann es vorkommen oder sogar die Regel sein, dass das wirklich Wichtige im Kleingedruckten steht.
Ähnlich ergeht es einem, wenn man in den letzten Hinweisen der Bank der Zentralbanken, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, nach der Behandlung von Gold unter den neuen Vorschriften zur Regulierung von Banken sucht. Seit 2013 lösen die neuen Vorschriften unter der Bezeichnung Basel 3 schrittweise die Basel 2 genannten Vorläuferregeln ab. Mit der Reform von Basel 3 vom Dezember 2017 wurden schließlich einige der Übergangsregeln bis 2022 verlängert.
Hauptgrund der Reform waren Schwächen der bisherigen Bankenregulierung, die durch die Finanzkrise 2008 sichtbar wurden. Ein Grund der Fristverlängerung für ihre Umsetzung ist nicht zuletzt die Bankenkrise in Europa, die uns in verklärter Form von kollabierten Aktienkursen der Banken erscheint und ansonsten an Gesundbeten erinnert. Die Reformen setzen vor allem bei der Eigenkapitalbasis und den Vorschriften zur Liquidität der Banken an. Denn spätestens 2008 wurde klar, dass das weltweite Bankensystem nicht ausreichend hochwertiges Eigenkapital hatte.
Es ist deshalb aus Sicht jener, die den Banken Vertrauen entgegenbringen, interessant, wie diese Gold und Goldderivate zu behandeln haben. In Bezug auf das Marktrisiko wird man in den BIZ-Regeln unter dem Titel ,,Minimum capital requirements for market risk‘‘ vom Januar 2019 fündig. Für all jene, die argumentieren, Gold sei im Sinne der Bankenaufsicht in Bezug auf das Marktrisiko ein Rohstoff, der findet dort eine Überraschung. Auf Seite 112 unter Punkt 40.53 findet man den Hinweis auf einen vereinfachten Standardansatz für das Marktrisiko von Währungen und Gold. In der dazugehörigen Fußnote 19 fügt die BIZ zur Begründung hinzu, dass Gold wie eine Währung behandelt werden soll, weil seine Volatilität mehr der einer Fremdwährung entspräche und Banken Gold deshalb in gleicher Weise managen wie diese.
Diese Aussage enthält einen erwähnenswerten Gedanken: Erstens verweist das Argument auf den Zusammenhang zwischen Devisen und Gold. Wenn Gold wie eine Devise behandelt wird, ist es de facto eine! Und zwar nicht nur wegen seiner Volatilität, die ja eine ziemlich blutleere Größe darstellt. Sondern auch deshalb, weil mit dieser Einstufung Annahmen einhergehen, die zumindest implizit seine Liquidität beschreiben. Wäre Gold als Rohstoff behandelt worden, wäre ein Netting mit Währungspositionen bedeutend schwieriger.
Genau dies wird aber in obiger Schrift getan. Auf Seite 114 werden unter Punkt 40.61 zur Errechnung der Kapitalanforderungen des Marktrisikos die größere Nettoposition der Devisen und die Nettoposition von Gold addiert, um daraus dann den aufsichtsrechtlichen Kapitalbedarf von 8 % der Summe zu errechnen.
Historisch und strategisch ist dies im Übrigen in einem Fiatgeld-System wie dem heutigen vor allem dann sinnvoll, wenn dieses Fiatgeld gegenüber Gold abwertet und die Bank eine Long-Position in Gold mit einer Netto-Shortposition auf Devisen ausgleichen kann. Dieses Verhalten von Gold ergibt sich aus der Abwertungstendenz aller Fiatwährungen gegen Gold. Gold kann damit nach Basel 3 ein Bewertungsfallschirm für abwertende Devisen, aber auch Kompensation für Wertverluste anderer Assets sein.
Denn dieses Fallschirmverhalten von Gold wird auch in seiner Korrelationsmatrix für alle großen US-Investmentklassen sichtbar. Darin wird für die Zeit seit Aufhebung der Goldbindung des US-Dollars im August 1971 klar, dass Gold eben nicht das Verhalten von Rohstoffen zeigt, denn die Korrelation von Gold gegenüber Rohstoffen betrug zwischen 1972 und 2016 nur 0,47. Und mindestens genauso wichtig: Gegenüber den größten Asset-Klassen US-Aktien, US-Anleihen allgemein, US-Staatsanleihen und US-Immobilien war die Korrelation von Gold negativ. Das bedeutet, dass Gold in einer allfälligen Rückkehr zum historischen Durchschnitt von Geldpolitik diese historische Funktion als Bewertungsfallschirm wiedererlangen wird.
Goldderivate hingegen werden übrigens mit geeigneten Derivaten zu einer Nettoposition zusammengefasst, was gerade kein physisches Gold ist. Zwischen beiden liegen Liquiditätsklippen und das berühmt-berüchtigte Counterparty-Risk, gegen das Gold historisch eben besonders gut geschützt hat.
Man muss allerdings nicht weit in die Vergangenheit schauen, um dies zu sehen. Denn zum einen betrifft das Gegenparteienrisiko nicht nur Privatbanken, sondern auch Zentralbanken. Und jede Devisenreserve einer Notenbank ist potenziell eine Bewertungsbombe. Dies hatte auch der französische Präsident de Gaulle im Blick, als er von den USA Gold statt bunt bedruckter Dollarscheine wollte und der letzte Auslöser für die Aufhebung der Goldbindung eben dieser bunten Scheine war.
Zum anderen stellt sich aus deutscher Sicht die Frage nach dem Wert von Buchgeldforderungen wie jenen des deutschen Target-2-Saldos, der am 29.02.2019 laut Bundesbank 872,7 Mrd. Euro betrug und zu etwa 90 % gegenüber den Zentralbanken Italiens und Spaniens besteht. Die Goldreserven Italiens in Höhe von ca. 92 Milliarden Euro machen allerdings nicht einmal 20 % des italienischen Target-2-Saldos gegenüber Deutschland in Höhe von 482 Milliarden Euro aus. Da ist es natürlich besonders vertrauensfördernd, wenn der italienische Innenminister Salvini laut über einen Verkauf dieses Goldes nachdenkt.
Die lange Kette der Marktmanipulation von Privat- wie Zentralbanken, von verhinderter Transparenz, vorgegaukelter Liquidität und damit angestrebter Werthaltigkeit von Vermögenswerten nähert sich seinem Ende. Basel 3 ist ein Schritt in beide Richtungen gleichzeitig – zum Verzögern des Tages der Wahrheit über den wirklichen manipulationsfreien Wert der Bilanzpositionen von Privat- und Zentralbanken als auch hin zu erhöhten Selektionsdruck zu mehr Qualität der Vermögenswerte. Dies lässt taktisch mehr Handlungsoptionen offen.
Zudem: Der Kampf um die Verteilung des Schwarzen Peters der bilanziellen Wertlosigkeit von Devisen und anderen Vermögenswerten hat seit der knopfdruckartigen Schaffung von Schuldgeld nach Aufhebung der Goldbindung des Gold-Devisen-Standards 1971 Fahrt aufgenommen. Und diese hat sich mit der Eröffnung des Selbstbedienungsladens Target-2-System der EZB im Euroraum weiter beschleunigt. Da wundert es eigentlich gar nicht mehr, dass auch die Notenbanken weltweit langsam kalte Füße bekommen und ihre Goldkäufe beschleunigen, um nicht nur US-Dollar, sondern auch ihre Euro-Guthaben gegen Gold einzutauschen. 2018 kauften sie netto 651,5 Tonnen Gold und damit 74 % mehr als 2017, als es nur 374,8 Tonnen waren, was die höchsten Nettogoldkäufe seit 1971 darstellt. Eigentlich ein ganz natürlicher Reflex, wenn man in die Geschichte des Geldes schaut. Die Weisheit liegt deshalb wohl auch nicht in Basel 3,4 oder 5, sondern eher in der Einhaltung jener ökonomischen Prinzipien, die mit dem Begriff ,,Sound Money‘‘ beschrieben werden.
18.03.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur
Bewertungen, Kommentare und Fragen an den Redakteur
-
Arndt Kümpel
-
26.03.2020 17:55:22 Uhr
Sehr geehrter Herr Fischer, vielen Dank für das positive Feedback. Wenn Sie ein bestimmtes Thema besonders interessiert, können Sie mir dies gerne mitteilen.
Beste Grüße
Arndt Kümpel
-
Mani Fischer
-
26.03.2020 15:25:16 Uhr
Sehr guter verständlicher Beitrag! weiter so! Auch der Kommentarvom 5.3.2020
-
Arndt Kümpel
-
05.03.2020 15:47:15 Uhr
Sehr geehrte(r) Herr/Frau Michl,
der Schlusskurs von Gold an dem Tag, als dieser Beitrag vor knappp 1 Jahr erschien, war 1303,40 USD. Der aktuelle Preis liegt bei 1.659 USD und damit 27,3 % höher.
Und seither haben die Notenbanken weltweit weiter Gold gekauft und diese, wenn ihre Bestände im Ausland lagen, diese zunehmend ins Inland zurückverlagert.
Bei der im Artikel erwähnten Frage, wem das Gold Italiens gehört, ist die EU eingeknickt.
Für Gold bedeuteten die Änderungen, dass es für Banken attraktiver wird, Gold als Vermögenswert in der Bilanz zu halten.Wenn Sie eine Bankbilanz einmal aus der Perspektive betrachten, welche systemischen Gegenparteien-Risiken bestehen, dann werden Sie im Kreditbuch der Bank und bei den Derivatebestand fündig. Die Frage, wie man diese Risiken verringern kann, führt zu Gold. Ähnliches gilt auch für die Devisenreserven in der Notenbankbilanz.
Es wird spannend sein zu beobachten, welches Verhalten gegenüber Gold und anderen realen Vermögenswerten wie Silber, Palladium und Platin Banken aus dieser Sicht einnehmen werden. Insbesondere dann, wenn für Gold zunehmend Lieferprämien (Aufgelder) auf den Marktpreis gezahlt würden, diese aber für die anderen Edelmetalle relativ niedrig sind. In diesen Zusammenhang passt auch der Beitrag vom 03.03.2020 ,,Silber im (Wind) Schatten?\'\'
Viele Grüße
Arndt Kümpel
-
Michl
-
05.03.2020 02:30:04 Uhr
Was bedeutet das für Gold?
Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)