
Bekanntgabe bei Bestellung mehrerer Empfangsbevollmächtigter: Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg
FG Urteil vom 18.06.2024
Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat in einem Urteil vom 18. Juni 2024 klargestellt, dass das Finanzamt bei der Bestellung mehrerer Empfangsbevollmächtigter eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung darüber treffen muss, welchem Bevollmächtigten ein Verwaltungsakt bekanntgegeben wird. Der Fall betraf eine langjährige Streitigkeit um Umsatzsteuer und steuerliche Nebenleistungen.
Hintergrund des Falls
Im konkreten Fall hatte die Klägerin eine Vollmacht für die D-Steuerberatungs-GmbH (D-GmbH) erteilt, die auch eine Bekanntgabevollmacht beinhaltete. Es entstand ein Streit zwischen der Klägerin und dem Finanzamt über die Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2015. Diese Streitigkeit führte zu einer Festsetzung der Umsatzsteuer und entsprechender Zinsen in Höhe von 3.337.327 EUR, die die Klägerin beglich.
Im Jahr 2023 stellte die Klägerin, nun vertreten durch die Bevollmächtige G, einen neuen Antrag auf Billigkeitserlass der Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2015. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, adressierte die Entscheidung jedoch an die D-GmbH, welche das Schreiben erst verspätet an G weiterleitete. Die Bevollmächtige G legte daraufhin Einspruch gegen die Entscheidung ein, der jedoch vom Finanzamt als unzulässig verworfen wurde.
Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg: Unwirksame Bekanntgabe
Das Finanzgericht gab der Klägerin Recht und hob die Entscheidung des Finanzamts auf, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Laut § 124 Abs. 1 AO wird ein Verwaltungsakt erst wirksam, wenn er demjenigen bekanntgegeben wird, für den er bestimmt ist oder der davon betroffen ist. Wenn dem Finanzamt eine Empfangsvollmacht vorliegt, ist der Verwaltungsakt gemäß § 122 Abs. 1 Satz 4 AO dem Bevollmächtigten bekanntzugeben. In diesem Fall hätte die Bekanntgabe an G erfolgen müssen.
Da das Finanzamt die Entscheidung an die D-GmbH adressierte, obwohl die Klägerin klar die Bevollmächtige G bestimmt hatte, war die Bekanntgabe unwirksam. Die Einspruchsfrist begann daher nicht zu laufen, und der verspätete Einspruch von G war somit zulässig.
Ermessensentscheidung bei mehreren Bevollmächtigten
Der Fall zeigte, dass die Rechtslage bei der Bestellung mehrerer Bevollmächtigter kompliziert sein kann. Wenn mehrere Bevollmächtigte schriftlich legitimiert sind, hat das Finanzamt nach den allgemeinen Grundsätzen eine Ermessensentscheidung zu treffen, wem der Verwaltungsakt bekanntzugeben ist. Diese Entscheidung ist im gerichtlichen Verfahren nur auf Ermessensfehler überprüfbar.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin durch die am 29. Dezember 2022 erteilte Vollmacht an G eindeutig signalisiert, dass sie die Entscheidung an G bekanntgegeben haben wollte. Das Finanzamt hätte daher von dieser Sachlage ausgehen und die Entscheidung an G adressieren müssen.
Das Urteil des FG Berlin-Brandenburg verdeutlicht, dass bei der Bestellung mehrerer Empfangsbevollmächtigter das Finanzamt eine Ermessensentscheidung treffen muss, wem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wird. Eine fehlerhafte Bekanntgabe, wie im vorliegenden Fall, führt zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts und hat zur Folge, dass die Einspruchsfrist nicht zu laufen beginnt.
21.02.2025 - Daniel Eilenbrock
Auf Twitter teilen Auf Facebook teilen
Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur
Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)