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Drop Gold! Drop Gold??

Ein Marktbericht von Arndt Kümpel

 

Mit dem Motto ,,Drop Gold‘‘, also verkaufen Sie Gold, startete am 01.05.2019 Grayscale Investments aus New York seine neueste Werbekampagne. In seinem Interview auf FOX News am 07.05.2019 zum Kampagnenstart unter obigem Slogan bezeichnete der CEO von Grayscale Investments, Barry Silbert, Bitcoin als ,,risikoreiche Wette‘‘, gleichzeitig aber auch als das Gold der jüngeren Generation, das dieselben Merkmale wie Gold aufweist! Also solle man nun sein Gold verkaufen und Bitcoin kaufen, so seine Empfehlung.

Abgesehen von der beabsichtigt provokativen These ist natürlich völlig offensichtlich, wie hier ein Narrativ gestrickt wird, um das eigene Geschäft anzukurbeln. Denn Grayscale Investments ist der Investmentmanager des Grayscale Bitcoin Trust, des weltweit größten Investmentfonds für Kryptowährungen. Per 22.05.2019 betrugen nach Firmenangaben das verwaltete Fondsvermögen 1,9 Mrd. US-Dollar, wobei das Unternehmen zuletzt im Marktsegment institutioneller Anleger relativ Marktanteile verlor. Wie gut für Grayscale, dass diese Woche die US-Wertpapieraufsichtsbehörde FINRA (Financial Industry Regulatory Authority) die Erlaubnis erteilte, dass das Unternehmen seinen Grayscale Ethereum Trust nicht nur an institutionelle Investoren ab einem Mindestinvestment von 25.000 US-Dollar, sondern auch an Privatanleger verkaufen darf. Damit ist es nach dem Grayscale Bitcoin Trust und dem Grayscale Ethereum Classic Trust das dritte Investmentprodukt für Privatanleger.

Aber Moment: Reicht eigentlich für ein Investment schon ein hinreichend provokantes Werbevideo? Das 36-Sekunden-Video ,,Drop Gold‘‘ richtet sich jedenfalls vor allem an Privatinvestoren, die gerne die zurechtgebraute Standardmeinung übernehmen, anstatt selber kritisch die darin enthaltenen Annahmen und Argumente zu prüfen. Um die Werbebotschaft des Videos zu verstehen braucht man übrigens nicht einmal Sprachkenntnisse. Süßer Werbehonig eben!

Das Hauptargument, Bitcoin sei das Gold der jüngeren Generation, ist deshalb umso mehr einen genaueren Blick wert. Denn egal ob für Jüngere oder Ältere, die Ausgangsfrage ist, ob Kryptowährungen dieselben Eigenschaften wie Gold haben.

In seinem Interview auf Fox News am 07.05.2019 führt Barry Silbert mehrere Argumente an, warum seiner Ansicht nach Bitcoin besser als Gold ist. Das erste ist das Argument des faktischen Preisanstieges. Die Begründung ist jedoch ein Zirkelschluss, denn der Werbeeffekt auf spekulatives Kapital, der zu einem Kursanstieg führt, ist nicht ansatzweise ein Nachweis für seine Rechtfertigung. Hier begründet Silbert etwas mit sich selbst, der Kursanstieg von Bitcoin rechtfertigt also den Kursanstieg. Er hat damit das Argument logisch immunisiert, da eine Verneinung nicht erfüllbar ist. Damit ist seine Aussage tautologisch und analytisch wertlos!

Die zweite Behauptung ist, dass Bitcoin dieselben Eigenschaften wie Gold hätte. Eine Behauptung ohne Beweis. Er weist im Zuge dessen darauf hin, dass die Euphorie der überwiegend jungen Kryptowährungsfans eine völlig neue Generation von Zahlungsmitteln ermöglicht, da deren Akzeptanz sprunghaft steigt. ABER: In jedem neuen Produkt liegt die Hoffnung bzw. Erwartung, dass man eine effizientere Steuerung erreicht, ohne deren Legitimität zu verringern. Die auf Hoffnung aufgebaute aktuelle Akzeptanz ist eine qualitativ gänzlich andere als die eines historischen Erfolgsnachweises über Jahrtausende und muss deshalb entsprechend niedrig bewertet werden. Dieser Nachweis kann für Bitcoin mit einem Blick auf die Fakten derzeit nicht erbracht werden. Ergebnis: Die Behauptung ist nicht begründet und damit falsch. Denn seit dem Übergang vom Mythos zum Logos ist es die Aufgabe für den Behauptenden, einen logischen Nachweis für seine Behauptung zu liefern. Ein kurzer Blick in Karl Poppers ,,Logik der Forschung‘‘ würde Barry Silbert hier weiterhelfen.

Weiter im Text: Silbert nimmt die Tatsache, dass weltweit Notenbanken den Großteil der derzeitigen Goldnachfrage ausmachen zum Anlass, die Sexyness von Bitcoin zu begründen. Denn schließlich will man sich mit Kryptowährungen gerade von Regierungen und Zentralbanken möglichst unabhängig machen. Doch was ist das Argument wert? Wie realistisch ist die Annahme, eine Kryptowährung als Fluchtpunkt für Vermögenswerte könne außerhalb eines staatlichen Rechtsrahmens existieren. Sowohl ein Blick in die Währungsgeschichte als auch jene der politischen Macht erinnert eindrücklich daran, dass Nationalstaaten noch lange nicht am Ende sind. Hinzu kommt, dass die Globalisierung eben zu einer erhöhten Vernetzung staatlicher Macht geführt hat. Ein Blick auf die staatliche Rückeroberung von extraterritorialen Steueroasen durch die USA und die EU mit ihrer schwarzen Liste, aber auch jene der Nichtregierungsorganisation Oxfam, zeigt, dass die Erwartung einer nicht vom Staat regulierten Währung unrealistisch und unhistorisch ist. Damit ist das Flowerpower-Flair von Kryptowährungen verdunstet, noch bevor es sich richtig entfalten kann.

Weiterer angeblicher Nachteil von Gold soll seine begrenzte Verfügbarkeit als Geldmenge sein. Doch dasselbe gilt auch für Bitcoin und ist damit kein Differenzierungskriterium. Die Zahl der umlaufenden Bitcoins ist auf 21 Millionen limitiert, von denen bislang rund 18 Millionen ,,geschürft‘‘ wurden. Wie also sollte der potenziell höhere Geldbedarf gedeckt werden, wenn nicht durch einen steigenden Preis für Bitcoin, was ja im Grundsatz auch für Gold und alle anderen Edelmetalle gilt? Damit aber ist Bitcoin wie jedes andere Spekulationsobjekt. Und die viel stärkeren spekulativen Preisschwankungen sind das Letzte, was eine stabile Recheneinheit und damit neben anderen Eigenschaften gutes Geld auszeichnet. Was wäre dann der Vorteil eines Wechsels von Gold zu Bitcoin?

Was Barry Silbert wenig stören dürfte, denn das schräge Getrommel gegen Gold hat vorerst dazu geführt, dass die Prämie des Kurses des Grayscale Bitcoin Trusts (Kürzel GBTC) gegenüber dem inneren Bitcoin-Wert gestiegen ist. Denn der Anteilswert hatte sich seit September 2018 schlechter entwickelt als der Bitcoinpreis, was natürlich kein gutes Kaufargument ist. Was also ist leichter, als mit viel heißer Luft und steilen Thesen die Nachfrage nach dem eigenen Produkt anzutreiben. Aktuell liegt der innere Wert des GBTC bei 7,84 US-Dollar, da ein Anteil 0,00098409 Bitcoin bei einem Freitagsschlusskurs von 7.967,9 US-Dollar entspricht. Die Prämie zum GBTC-Schlusskurs von 10,70 US-Dollar beträgt damit sportliche 36,46 %.

Und wie war das mit dem Stromausfall? Eine Währung für die Zeit mit ausreichender Stromversorgung und eine andere für den Ernstfall? Spätestens hier zeigt sich dann, dass die aktuelle Konstruktion der Kryptowährungen im wahrsten Sinne des Wortes nicht ernst zu nehmen ist! Die Risiken von Kryptowährungen, die sich aus der Fragilität der Stromversorgung für deren Wertstabilität ergeben, werden von deren Promotern und Nutzern systematisch ausgeblendet. Für eine über ein Schönwetterszenario hinausgehende Vermögensanlage ist das eindeutig zu wenig.

Übrigens: Dass die Notenbanken durchaus flexibel sein können, zeigten in dieser Woche die Aussagen der russischen Notenbankchefin Elvira Nabiullina. Sie erklärte am Donnerstag in der russischen Staatsduma, Russland könne die Idee einer mit Gold unterlegten Kryptowährung für wechselseitige Zahlungen mit ausländischen Partnern in Betracht ziehen. Das passt nicht nur dazu, dass Russland mit 2.168,3 Tonnen inzwischen China als fünftgrößten Eigentümer von Gold als Notenbankreserve abgelöst hat. Dafür dürfte es mehr Gründe als nur die aktuellen US-Sanktionen geben, vor allem strategische. Es zeigt, dass Notenbanken im Zahlungsverkehr untereinander physisches Gold als Geldbasis zu akzeptieren bereit sind, nicht zuletzt getrieben von der Notwendigkeit, untereinander Handels- und Finanztransaktionen abwickeln zu können. Wie das russische Mitglied für Integration und Makroökonomie im Exekutivrat der Eurasischen Wirtschaftsunion (EEU), Tatiana Valovaya, in dieser Woche ausführte, sollte die EEU insbesondere die Konstruktionsfehler der Europäischen Währungsunion vermeiden.

Hierbei geht es vor allem um den Zahlungsverkehr mit China und den innerhalb der EEU, zu der neben Russland die Länder Armenien, Kasachstan, Kirgistan und Weißrussland gehören. Kurz, die halbe Strecke der nördlichen Route der chinesischen neuen Seidenstraße! Wie gut, dass China die für chinesische Ölimporte in chinesischen Yuan anfallenden Erlöse ausländischer Exporteure an seiner Goldbörse in Gold konvertierbar gemacht hat. Gemeinsamer Nenner: Gold! Nachtigall, ick hör‘ Dir trapsen!

Fazit: Die Werbestrategie des weltweit größten Investmentfonds für Kryptowährungen gegen Gold ist ein auf falschen und unbewiesenen Behauptungen aufbauender intellektueller Kurzschluss für un- und desinformierte Zielgruppen, die sich der Bedeutung der Geschichte für die Vermögensanlage nicht bewusst sind. Das Verhalten der Notenbanken und die reale Situation der Weltwirtschaft sind viel zu fragil, als dass man es sich leisten könnte, die bewiesenen Vorteile von Edelmetallen im Allgemeinen und Gold im Besonderen zu ignorieren. Die bisherige Tendenz, zunehmend physisches Gold, Silber, Platin und Palladium als Wertbasis für Kryptowährungen zu nutzen, zeigt, dass der Währungswettbewerb am Ende zu einer Wiedereinführung der Gold- und Silberdeckung von Geld und damit einem Quasi-Goldstandard führen könnte. Sollte diese Idee im Wettbewerb alternativer Währungen erfolgreich sein, wird das unterbelichtete Gold-Bashing zunehmend durch die Realität widerlegt. Und das ganz ohne Stromausfall!

 

26.05.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de




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