BIZ Chef warnt vor übereilten Zinssenkungen
Chef der Notenbanken rügt seine Mitglieder - Carstens warnt vor vorschnellen Zinssenkungen
Agustín Carstens ist niemand, der polternd über die Weltbühne läuft. Umso überraschender ist seine laute und lautstark ausgeteilte Kritik an den grossen Notenbanken, denen er vorwirft, dass sie sich von ihren Kernaufgaben entfernt haben und sich wieder auf das zurückbesinnen sollten, wozu sie ins Leben gerufen wurden.
Die Bank der Banken übt harsche Kritik. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ist der graue Pate im Hintergrund. In der Öffentlichkeit ist die Bank mit Sitz in Basel kaum bekannt. An der BIZ, die 1930 gegründet wurde, dürfen sich ausschliesslich Notenbanken und vergleichbare Institutionen beteiligen. Insgesamt zählt man 63 Mitglieder, die von Basel koordiniert werden. Hierbei geht es aber nicht um das Tagesgeschäft, sondern um die strategische Ausrichtung und die Klärung von übergeordneten Fragen zur internationalen Finanzstabilität. Öffentliche Kritik vonseiten der BIZ an seinen Mitgliedern ist ausgesprochen selten. In der Regel werden schwierige Themen entre nous besprochen.
Umso bedeutender ist es, wenn die Agustín Carstens im Jahresbericht der BIZ Kritik an seinen Mitgliedern übt. Klar lanciert, um in der Fachpresse zu landen, attackiert Carstens den derzeitigen Trend, die Zinsen in den meisten Währungen wieder zu senken. Der General Manager der BIZ betont, dass es nicht die Aufgabe einer Notenbank ist, die Inflation im Detail zu steuern. Vielmehr müssen die Notenbanken die Voraussetzungen stärken, um die Volkswirtschaften so weit zu stabilisieren, dass diese das Ziel der Preisstabilität aus sich selbst heraus erreichen. Frei nach dem Motto: So viele Eingriffe wie nötig und so wenig wie möglich. Und das ist ein wichtiger Hinweis, denn die Notenbanken der grössten Währungen haben in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend eine Politisierung ihrer Ziele erfahren. Quantitative Easing (QE) ist eine Ausprägung dieser Politisierung, das Setzen von «Klimazielen» für europäische Banken ein anderes Beispiel.
BIZ Chef warnte vor übereilten Zinssenkungen
Die Forderung der BIZ spitzt sich darauf zu, dass das Zinsniveau lange auf hohem Niveau bleiben soll. Man wittert - berechtigterweise - die Gefahr, dass eine schnelle Folge von Zinssenkungen dazu führen kann, dass die Inflation noch einmal aufbegehrt und gestärkt zurückkommt. Eine Gefahr, die durchaus gegeben ist, wie wir in den vergangenen Monaten in Europa und den USA gesehen haben. Am stärksten ist diese Gefahr im Dienstleistungssektor, der immer noch deutlich expandiert, trotz der hohen Zinsniveaus. Wohingegen der verarbeitende Sektor in Europa schon seit Quartalen schwach ist und in Deutschland sogar anhaltend schrumpft.
Was Carstens befürchtet, ist die Umkehrung dessen, was in 2021 und 2022 passierte. Seinerzeit verweigerten sich die grossen Notenbanken einer Zinswende, obwohl die Inflationsraten deutlich zu steigen begannen. Argumentiert wurde, dass die Preisentwicklungen nur temporär wären und man sie daher ignorieren könnte. Ein folgenschwerer Fehler, der in allen wichtigen Währungen zu umfassenden Geldentwertungen geführt hat. Wenn nun zu früh eine Zinssenkungsphase eingeleitet wird, dann besteht das erhebliche Risiko, dass die wichtigsten Volkswirtschaften in eine weitere Phase der Geldentwertung hineinlaufen, die dann jedoch umso schwerer zu stoppen wäre. Carstens vergleicht das Vorgehen mit einem Arzt, der bei einer bakteriellen Infektion Antibiotika gibt, die Medikation jedoch nicht zu Ende führt, sondern vorzeitig abbricht und damit im Zweifel einen neuen Ausbruch der Infektion hervorruft.
Eine konkrete Empfehlung zu dieser Analyse ist den Lesern des Zürcher Finanzbriefes vorbehalten. Den Zürcher Finanzbrief und die zugehörigen Empfehlungen können Sie im Rahmen eines kostenlosen Probe-Abonnements ausgiebig testen.
02.07.2024 - Mikey Fritz
Auf Twitter teilen Auf Facebook teilen
Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur
Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)