Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit bei Betriebsveräußerung
BFH, Urteil v. 14.12.2022, X R 10/21, veröffentlicht am 1.6.2023
In dem vorliegenden Fall ging es um eine Friseurmeisterin, die aufgrund gesundheitlicher Probleme ihre Tätigkeit nur noch weniger als 6 Stunden täglich ausüben konnte. Sie beantragte den Abzug des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) für das Jahr 2012. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, da es den Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne als nicht erbracht ansah.
Finanzgericht
Das Finanzgericht gab der Klage der Steuerpflichtigen statt und entschied, dass für den Abzug des Freibetrags kein formaler Nachweis der Berufsunfähigkeit erforderlich sei. Es gebe keine gesetzlichen Vorgaben für formalisierte Nachweisanforderungen.
Das Finanzamt legte Revision gegen das Urteil ein. Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das Finanzgericht zurück. Der BFH stellte fest, dass die Steuerpflichtige die Feststellungslast für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG trage, einschließlich der dauernden Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Es wurde festgestellt, dass neben Bescheiden der Sozialversicherungsträger auch nichtamtliche Unterlagen, wie fachärztliche Bescheinigungen, als Nachweis geeignet sind.
Der BFH argumentierte, dass ein formaler Nachweis der Berufsunfähigkeit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung widerspricht. Das Finanzgericht könne daher im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung auch nichtamtliche Unterlagen von Fachärzten und anderen Medizinern heranziehen. Allerdings müsse das Finanzgericht seine eigene Sachkunde darlegen oder gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten einholen.
Aufhebung FG-Urteil:
Da das Finanzgericht seine Entscheidung nicht auf ausreichende tatsächliche Feststellungen gestützt habe, wurde der Fall zur erneuten Verhandlung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Das Finanzgericht hatte sich allein auf ein Gutachten aus dem Jahr 2010 gestützt, das jedoch noch keine abschließende Aussage zur dauernden Berufsunfähigkeit der Steuerpflichtigen getroffen habe. Das Gutachten wies sogar auf die Möglichkeit einer Heilung durch eine Operation hin.
Der BFH wies darauf hin, dass die Sonderregelung für den Nachweis von Krankheitskosten in § 64 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) nicht auf § 16 Abs. 4 EStG übertragbar sei. In einem früheren Urteil von 2010 hatte der BFH entschieden, dass ein formaler Nachweis von Krankheitskosten dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung widerspricht. Der Gesetzgeber schuf jedoch später in § 33 Abs. 4 EStG eine Ermächtigungsgrundlage für ein formalisiertes Nachweisverlangen. Diese Regelung gilt jedoch nicht für § 16 Abs. 4 EStG.
Insgesamt stellte der BFH fest, dass für den Abzug des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG kein formalisierter Nachweis der Berufsunfähigkeit erforderlich ist. Das Finanzgericht kann im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung nichtamtliche Unterlagen, wie fachärztliche Bescheinigungen, heranziehen, um die dauernde Berufsunfähigkeit festzustellen. Der Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast für die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG, einschließlich der dauernden Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Es wurde klargestellt, dass neben Bescheiden der Sozialversicherungsträger auch nichtamtliche Unterlagen als Nachweis geeignet sind.
Der BFH betonte, dass ein formaler Nachweis der Berufsunfähigkeit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung widerspricht. Das Finanzgericht kann daher auch nichtamtliche Unterlagen von Fachärzten und anderen Medizinern heranziehen, um die dauernde Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne festzustellen. Es wurde jedoch betont, dass das Finanzgericht seine eigene Sachkunde darlegen muss oder gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten einholen sollte.
Da das Finanzgericht im vorliegenden Fall seine Entscheidung nicht ausreichend auf tatsächliche Feststellungen gestützt hat, wurde der Fall zur erneuten Verhandlung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Das Gutachten aus dem Jahr 2010, auf das sich das Finanzgericht gestützt hatte, reichte nicht aus, um die dauernde Berufsunfähigkeit im Jahr 2012 festzustellen, da das Gutachten auf die Möglichkeit einer Heilung hinwies. Es wurde festgestellt, dass weitere Feststellungen des Finanzgerichts erforderlich waren, um die Berufsunfähigkeit im Jahr 2012 zu bestätigen.
05.06.2023 - Daniel Eilenbrock
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