Was kommt nach der Aufhebung der Zahlungsmoratorien?
NPL – was wird aus den Bankbilanzen?
Man könnte die Antwort auf die Frage, was aus den Bankbilanzen der ohnehin eigenkapitaltechnisch schwachbrüstigen Privatbankenszene in Europa wird, einfach machen. Denn der scheinbar unüberwindbare Highlander der Bonität, die EZB, steht bereit, alles und jeden aufzukaufen, wenn es denn der Rettung des Euro dient.
Was aber passiert eigentlich, wenn die Banken in ihren Quartalsberichten über die ganzen zahlungsgestörten Ausleihungen berichten müssen, die während des 2. Quartals 2020 aufgetreten sind?
Und wie wirken sich die Zahlungsmoratorien auf ihre Erfolgs- und Eigenkapitalrechnung aus, die zur kurzfristigen Risikoabwehr auf Einzelkreditnehmerebene erlassen wurden und die nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verlängert werden können?
Die erwarteten Verluste in den Gewinn-und-Verlust-Rechnungen der europäischen Banken dürften jedenfalls nach Ansicht der Ratingagentur Fitch Ratings im Zuge der substanziell schwächeren Wachstumsprognose deutlich angestiegen sein. Dies schreibt sie in ihrem neuen ,,Large European Banks Quarterly Credit Tracker‘‘ und warnt vor neuem enormem Druck auf die operative Profitabilität der europäischen Großbanken.
Bildnachweis: © The Walt Disney Company
Dabei hatten die europäischen Banken bereits vor Beginn der Corona-Krise Probleme mit ihrer Profitabilität. Das letzte Mal, dass die Eigenkapitalprofitabilität (ROE) des Bankensektors über 10 % lag, was als gesundes Minimum angesehen wird, war im Jahr 2007, also direkt vor Beginn der Finanzkrise, wo so ziemlich alles und jede Forderung verbrieft und als Collaterized Loan Obligation (CLO) weiterverscherbelt wurde. Seit 2007 jedenfalls kam die operative Profitabilität der Banken nicht auch nur näherungsweise in die Nähe der Marke von 10 %.
Der ROE war in 3 der 5 letzten Jahre negativ, nachdem die Aktien ihre Höchststände im Jahr 2007 erreichten, nämlich in den Jahren 2008, 2011 und 2012. Viele wurden in einer Fusionswelle bilanziell beerdigt, und im Anschluss stieg der ROE ab 2013 wieder an und erreichte 2019 dann ein neues Elfjahreshoch von 7 %.
,,Big Five'' in Q1/2020 bereits mit Nettoverlusten
Nun aber, nach dem ominösen 1. Quartal 2020, zwingt das Corona-Virus die Banken, die Kreditvorsorge (Expected Credit Losses = ECL) deutlich zu erhöhen. Folgerichtig ging im Q1/2020 der ROE wieder auf 4 % zurück. Dabei publizierten die 5 größten Banken, die HSBC, die Deutsche Bank, Unicredit, BBVA und Societe Generale bereits wieder Nettoverluste.
Im 2. Quartal 2020 dürften immer mehr Banken nun erneut bedeutende zusätzliche Wertanpassungen auf ihr Kreditbuch (Loan Impairment Charges = LIC) und zulasten des Eigenkapitals zurückstellen. Dies zumindest erwartet Fitch Ratings.
Unter den 20 von Fitch analysierten Banken zeigte sich, dass diese ihre LIC‘s gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum fast verdreifachten. In der Summe waren dies 24 Mrd. Euro, was 55% des operativen Ergebnisses vor den LIC’s entsprach. Im Vorjahr hatte dieser Anteil noch bei 20 % gelegen.
Fitch Ratings schätzt, dass rund die Hälfte der LIC’s aus den erwarteten Kreditabschreibungen in Folge des schwächeren makroökonomischen Umfeldes und aus dem Management der besonders anfälligen Kreditbestände im Firmenkundenbereich sowie aus der ungesicherten Konsumentenfinanzierung wie etwa Kreditkarten stammen.
Fitch warnte nun, dass die notleidenden Kredite wahrscheinlich signifikant in der 2. Jahreshälfte 2020 und zu Beginn des kommenden Jahres steigen werden, insbesondere dann, wenn die Zahlungsmoratorien auslaufen.
Dabei lasten viele notleidende Kredite (Non-Performing Loans = NPL) als ,,Erbe‘‘ der Finanzkrise in den Bankbilanzen Südeuropas, vor allem Italiens, Portugals, Griechenlands und Zyperns.
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Aber auch in Osteuropa mehren sich die Warnungen vor einem steilen Anstieg der NPL’s. Eine dieser Warner ist die Wiener Initiative, ein Rahmen zur Bankenkoordination, der in der Finanzkrise gebildet wurde. Die Wiener Initiative warnte nun in dieser Woche, dass die Banken der Region bald von einer Welle fauler Kredite getroffen werden dürften, welche sogar über das Jahr 2021 hinaus spürbar sein dürfte.
Die Wiener Initiative antizipiert 3 Wellen notleidender Kredite. Eine 1. Welle im 4. Quartal 2020 dürfte durch die Beendigung der Anti-Corona-Maßnahmen entstehen. Eine 2. Welle, langsamer, aber breiter, dürfte im 1. Halbjahr 2021 spürbar werden. Und eine 3. Welle dürfte aus den Ansteckungseffekten resultieren, die durch die Pleiten in den Volkswirtschaften und Wertschöpfungsketten entsteht. Diese Welle dürfte die Banken dann Ende 2021 treffen.
Im Ergebnis werden vor allem in Süd- und Osteuropa die Eigenkapitalpuffer der Banken erodieren, warnt Fitch. Allerdings dürften die größten Banken einen ausreichenden Puffer halten können, nachdem die regulatorischen Anforderungen an diese bereits gelockert wurden. De facto bleibt dies natürlich ein Taschenspielertrick mit der Hoffnung, dass die Zukunft es wieder richtet.
Die europäische Bankenaufsicht (EBA) sieht dies noch anders. Sie erwartet zwar Abschreibungsverluste von bis zu 380 Mrd. Euro als Resultat der Coronakrise, aber sie glaubt, dass die meisten Banken eine stärkere Eigenkapitalposition besitzen als vor der Finanzkrise 2008/2009. Ende 2019 lag das durchschnittliche Eigenkapitaläquivalent gemessen an den risikogewichteten Vermögenswerten nahe 15 %. 2011 hatte sie knapp über 5 % betragen.
Dejavu 2007?
Die EBA hofft wohl aber doch auf den Effekt des Gesundbetens, denn EBA-Vorsitzender José Manuel Campa betonte, dass die Banken ,,kurzfristig‘‘ genug Eigenkapital besitzen. Dies klingt wie ein Zeugniscode, in dem man das Weglassen negativ konnotiert ist.
Aber da steht er dann wieder bereit, der Bonitäts-Highländer. Dieser läßt die Bankerträge im Stressfalle einfach wieder ansteigen, in dem er den Banken, wie die EZB vergangenen Freitag veröffentlichte, 1,3 Bio. Euro zu einem Negativzins von – 1 % als Teil des neuen TLTRO-3-Programms ausgereicht hat.
742 Banken nahmen das Programm in Anspruch, was einem durchschnittlichen Betrag je Bank von 1,8 Mrd. Euro entspricht. Übrigens, mehr als die Hälfte des Betrages diente zur Rückzahlung bald fälliger Kredite der EZB.
Nimmt man dann noch die Bad-Bank, also den Kreditmülleimer Europa hinzu, der bis zu 500 Mrd. Euro Risikokredite aus den europäischen Bankbilanzen wegzoomen wird, steigen die Überlebenschancen des Bankensektors wieder.
Sehen so nachhaltige Geschäftsmodelle aus? Eher eine höhere Drehzahl bei der Sozialisierung der Verluste. Was macht der Highländer des freien Marktes und des Kreditzyklus als Nächstes?
Diese Schallplatte lag allerdings schon mal auf dem Teller… es ist ein bisschen wie ein Deja-Vu-Moment.
24.06.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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