Zinssenkung ist noch nicht zu rechtfertigen
Für eine Zinssenkung im US-Dollar ist es noch zu früh - Powell vertröstet auf später
Der politische Aspekt steht bei den Reden von Jerome Powell vor dem Kongress immer im Vordergrund. Powell adressiert dann nicht den Kapitalmarkt, sondern versucht, die einflussreichsten Politiker davon zu überzeugen, dass die Federal Reserve ihren Job (wie immer) gewissenhaft durchführt. Die Politiker wiederum nutzen die Fragen- und Antwortenrunde insbesondere dazu, ihr eigenes Profil gegenüber den Wählern zu schärfen. Im Grunde redet man also aneinander vorbei. Für die Börse ist dieses halbjährliche Ritual dennoch von Bedeutung, denn man sucht nach neuen Nuancen in der Wortwahl von Powell oder gar bedeutenderen Hinweisen auf die Richtung und das Timing der zukünftigen Entscheidungen.
Die Lage ist gut, aber sie könnte besser sein. Das fasst die Grundaussage von Fed-Chair Powell zusammen. Die jüngste Abschwächung des Wachstums der Inflationsrate wurde in den Vordergrund gestellt, aber auch deutlich gemacht, dass die Inflation insgesamt immer noch zu hoch ist, um eine Zinssenkung zu rechtfertigen. Eine Aussage, die der Anleihemarkt mit leichten Kursverlusten quittierte.
Die größte Gefahr für die Federal Reserve liegt darin, dass die Zinsen zu früh gesenkt werden und dann die Inflation noch einmal wiederkehrt. Denn das schärfste Schwert einer Notenbank ist das Vertrauen des Kapitalmarktes in die Entscheidungen der Banker. Die Zinsschraube - und seit einer Dekade auch Quantitative Easing und Tightening - ist sehr wirksam, aber das Instrument braucht sehr lange, um zu wirken. Das Vertrauen der Anleger in die Worte der Notenbanker sorgt hingegen dafür, dass die Wirkung am Kapitalmarkt sehr schnell umgesetzt und vorweggenommen werden kann. Daher ist es so enorm wichtig, dass eine Notenbank ihre Glaubwürdigkeit nicht leichtfertig verspielt, was aktuell ein erhöhtes Risiko ist, denn die strukturelle Inflation am Arbeitsmarkt wirkt immer noch stark.
Zinssenkung ist noch nicht zu rechtfertigen
Powell ging vor dem Kongress auch auf die andere Seite der Medaille ein. Das Risiko, dass man die Zinsen zu lange auf einem erhöhten Niveau behält und dadurch letztlich den Arbeitsmarkt stärker als notwendig schwächt. Diese Aussage ist vor allem politisch wichtig, denn die Federal Reserve hat ein duales Mandat: die Erhaltung der Kaufkraft UND die Stärkung des Arbeitsmarktes. Auch wenn es nicht offen ausgesprochen wird, gibt es jedoch in der Praxis eine klare Priorisierung. Die Erhaltung der Kaufkraft kommt als erstes. Wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt, ist hingegen zweitrangig. Zumal der Arbeitsmarkt dem Konjunkturzyklus hinterherläuft. Und interessanterweise beginnt die bisherige Stärke nun zu wackeln. Zuletzt ist die Arbeitslosenquote auf 4,1 % gestiegen. So hoch wie seit November 2021 nicht mehr.
Ein schwacher Arbeitsmarkt wäre die ideale Begründung, um einen Zinssenkungszyklus einzuleiten. So zurückhaltend optimistisch Powell in seiner Rede auch immer war, er hat mehr als deutlich gemacht, dass die Federal Reserve in dem Moment jede Zurückhaltung über Bord werfen wird, sobald der Arbeitsmarkt sich signifikant abschwächt. Und in diesem Szenario - das zeigt die Vergangenheit - könnte die Börse dann auch mit sehr grossen und schnellen Zinsschritten rechnen. Denn eine plötzliche Abschwächung des Arbeitsmarktes signalisiert, dass bereits im unterliegenden Gewerk etwas kaputt gegangen ist und die Notenbank hinter die Kurve gefallen ist.
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10.07.2024 - Mikey Fritz
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