
BFH: Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags bei steuerfreier Photovoltaikanlage:
BFH, Beschluss v. 15.10.2024, III B 24/24 (AdV)
Die Frage, ob ein 2021 abgezogener Investitionsabzugsbetrag (IAB) für eine im Jahr 2022 steuerbefreite Photovoltaikanlage rückgängig gemacht werden muss, ist rechtlich umstritten. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat hierzu am 15.10.2024 im Beschluss III B 24/24 (AdV) eine wegweisende Entscheidung getroffen.
Der Hintergrund der IAB-Rückgängigmachung
Ein Investitionsabzugsbetrag (IAB) ermöglicht es Unternehmern, zukünftige Anschaffungen steuerlich vorab geltend zu machen, um so Liquidität für Investitionen zu schaffen. Die steuerliche Abzugsfähigkeit unterliegt jedoch strikten Bedingungen. Gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG ist ein IAB rückgängig zu machen, wenn er nicht innerhalb von drei Jahren nach dem Abzugsjahr tatsächlich investiert wurde.
Mit dem Jahresbeginn 2022 trat eine Steuerbefreiungsvorschrift für bestimmte Photovoltaikanlagen in Kraft, geregelt in § 3 Nr. 72 EStG. Diese besagt, dass Einkünfte aus dem Betrieb kleinerer Photovoltaikanlagen steuerfrei sind, wodurch keine Gewinne ermittelt werden müssen. Dieser Umstand warf die Frage auf, wie mit einem IAB umzugehen ist, der vor Inkrafttreten dieser Steuerbefreiung geltend gemacht wurde. Der BFH hat nun klargestellt, dass ernstliche Zweifel bestehen, ob der IAB für das Jahr 2021 rückgängig zu machen ist.
Gesetzliche Grundlagen: Investitionsabzugsbetrag und Steuerfreiheit
Die gesetzliche Grundlage für Investitionsabzugsbeträge findet sich in § 7g EStG. Danach können Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen einen IAB in Höhe von bis zu 50 % der geplanten Investitionskosten abziehen. Der Abzug ist jedoch an Bedingungen geknüpft. Wird der Abzug nach drei Jahren nicht in eine tatsächliche Investition umgewandelt, so ist er im Abzugsjahr rückgängig zu machen.
Zusätzlich zu diesen Regelungen wurde zum 1. Januar 2022 die Steuerbefreiung für Einnahmen aus bestimmten Photovoltaikanlagen gemäß § 3 Nr. 72 EStG eingeführt. Diese Steuerbefreiung ist rückwirkend auf Einnahmen anwendbar, die ab dem 1. Januar 2022 erzielt wurden. Im Kern stellt sich die Frage, ob diese Steuerbefreiung eine nachträgliche Gewinnkorrektur beeinflusst, wenn der IAB in einem Jahr vor Inkrafttreten der Regelung geltend gemacht wurde.
Fallbeschreibung: Der Streit um den IAB des Jahres 2021
Im vorliegenden Fall bildete ein Steuerpflichtiger im Jahr 2021 einen IAB für eine geplante Photovoltaikanlage. Der IAB wurde zunächst durch das Finanzamt anerkannt, da der Steuerpflichtige die Anlage mit einer Leistung von 11,2 kWp erst im November 2022 tatsächlich erwarb und in Betrieb nahm.
Im November 2023 änderte das Finanzamt jedoch die Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 2021. Die Begründung: Aufgrund der im Juli 2023 veröffentlichten Meinung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) seien IABs für Investitionen in steuerbefreite Photovoltaikanlagen nachträglich zu streichen, wenn die Abzugsjahre vor dem 1. Januar 2022 liegen. Der Steuerpflichtige legte gegen diese Entscheidung Einspruch ein und beantragte eine Aussetzung der Vollziehung, die jedoch sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht (FG) ablehnten.
BFH-Beschluss: Rechtliche Zweifel an der Rückgängigmachung des IAB
Der BFH hob in seinem Beschluss vom 15. Oktober 2024 hervor, dass erhebliche rechtliche Zweifel an der Rückgängigmachung des IAB bestehen. Die Unklarheit resultiere aus einer unsicheren Gesetzeslage und einer fehlenden ausdrücklichen Regelung, ob der IAB allein aufgrund der Einführung der Steuerbefreiung rückgängig zu machen sei. Der BFH stellte fest, dass das dritte auf das Abzugsjahr 2021 folgende Wirtschaftsjahr noch nicht abgelaufen sei und somit die im Gesetz geforderte Bedingung für die Rückgängigmachung noch nicht erfüllt sei.
Außerdem sei unklar, ob der IAB unter die neue Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG falle. Der BFH argumentierte, dass die Regelung möglicherweise nicht dazu gedacht sei, eine bereits geltend gemachte Investition in einem Zeitraum zu korrigieren, in dem noch keine abschließende Steuerpflicht für die Anlage bestand.
Auswirkungen der Steuerbefreiung auf die Gewinnermittlung
Eine Kernfrage in der Beurteilung des Falls ist, ob § 3 Nr. 72 EStG die Erfassung eines steuerlichen Gewinns für die Investition in eine Photovoltaikanlage verhindert. Der BFH stellte fest, dass die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 72 EStG die Verpflichtung zur Gewinnermittlung für bestimmte Photovoltaikanlagen aufhebt. Im Jahr 2022 bestand für den Beschwerdeführer somit keine Notwendigkeit, eine gewinnerhöhende Hinzurechnung vorzunehmen. Das Fehlen dieser Gewinnermittlung mache eine Rückgängigmachung des IAB im Jahr 2021 fraglich.
Die Frage nach dem „actus contrarius“ im Steuerrecht
Das Prinzip des „actus contrarius“, also des Gegenakts zur ursprünglichen Steuermaßnahme, besagt, dass steuerliche Vorteile unter bestimmten Umständen zurückgenommen werden müssen, wenn sich die wirtschaftliche oder gesetzliche Situation ändert. Der BFH betonte jedoch, dass die Einführung der Steuerbefreiung im § 3 Nr. 72 EStG nicht notwendigerweise eine sofortige Rückgängigmachung des IAB erforderlich macht. Eine gewinnerhöhende Hinzurechnung im Jahr der Anschaffung, also im Jahr 2022, könnte vielmehr als ausreichend angesehen werden, um dem „actus contrarius“ gerecht zu werden.
Das BMF-Schreiben vom 17. Juli 2023 geht davon aus, dass eine Hinzurechnung des IAB auch dann erfolgen könnte, wenn die Anlage unter die Steuerbefreiung fällt. Dieser Ansatz wird im Schrifttum jedoch unterschiedlich beurteilt.
Uneinigkeit im Schrifttum und verfassungsrechtliche Bedenken
Die juristische Literatur zeigt ein uneinheitliches Meinungsbild. Einige Experten vertreten die Ansicht, dass die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG die Rückgängigmachung eines IAB aus den Vorjahren bedingt. Andere Juristen betonen, dass eine Rückgängigmachung im Jahr der Anschaffung, also 2022, zulässig und ausreichend sei. Diese Unklarheiten und die ausstehende Rechtsprechung des BFH unterstreichen die rechtliche Unsicherheit.
Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Rückgängigmachung des IAB könnten ebenfalls eine Rolle spielen. Allerdings entschied der BFH, dass es in diesem konkreten Fall nicht notwendig sei, auf verfassungsrechtliche Fragen einzugehen.
Bedeutende Entscheidung für zukünftige Investitionsabzugsbeträge
Der Beschluss des BFH vom 15. Oktober 2024 stellt eine bedeutende Entscheidung für die steuerliche Behandlung von Investitionsabzugsbeträgen im Kontext der neuen Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen dar. Die Entscheidung hebt hervor, dass es keine klare gesetzliche Regelung für die Rückgängigmachung eines IAB bei steuerfreien Anlagen gibt und dass eine abschließende Klärung dieser Frage weiterhin aussteht.
Für Steuerpflichtige, die ähnliche Investitionen planen oder bereits getätigt haben, bedeutet dies, dass eine Rückgängigmachung des IAB nicht ohne Weiteres erfolgen kann. Die Entscheidung des BFH schafft Rechtssicherheit, indem sie auf die Notwendigkeit einer genauen Gesetzesauslegung hinweist und die steuerliche Behandlung von Investitionsabzugsbeträgen in Zeiten geänderter Gesetzeslagen infrage stellt.
10.03.2025 - Daniel Eilenbrock
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