Moody's sieht die Schulden reicher Länder steigen
Aktuell höhere Staatsschuldendynamik als in Finanzkrise
Einer aktuellen Studie der Ratingagentur Moody’s zufolge hat die Corona-Pandemie für die Industrieländer einen starken Anstieg der Staatsverschuldung zur Folge.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters mitteilte, untersuchte die Ratingagentur bei 14 führenden Industrienationen die Entwicklung der Volkswirtschaften. Danach werden die Verbindlichkeiten im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 19 % zunehmen und damit fast doppelt so schnell wie während der globalen Finanzkrise 2008/09.
Moody’s-Analystin Marie Diron betonte, dass sich der stärkere Anstieg auch schneller vollzieht als in der Finanzkrise 2008/2009, was in der Summe Ausdruck des akuten und globalen Charakters des Coronaschocks sei.
Besonders stark betroffen seien Italien, Japan und Großbritannien. In diesen Ländern erwartet Moody’s eine Zunahme der Verschuldung um 25 Prozentpunkte. Und die USA, Frankreich, Spanien, Kanada und Neuseeland können mit einem Anstieg um etwa 20 Prozentpunkte rechnen. Der Anstieg der Verschuldung Deutschlands dürfte dagegen deutlich geringer ausfallen.
Die Corona-Pandemie führt in fast allen Ländern zu einer Rezession. Die großen Hilfsprogramme der Regierungen zur Abfederung des Wirtschaftseinbruchs lassen nun die Haushaltsdefizite explodieren.
Extreme Niedrigzinsen federn Ratingeffekt des Schuldenanstiegs ab
Gleichwohl sieht Moody’s die Schuldentragfähigkeit angesichts des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes weiter als hoch an. Dies sollte in den nächsten Jahren den negativen Ratingeffekt des Schuldenanstiegs abfedern.
Zudem dürfte die erwartete Konjunkturerholung die Folgen hoher Haushaltsdefizite kompensieren und so eine Stabilisierung der Schuldenniveaus ermöglichen. Jedoch: ,,Staaten, die es versäumen, ihre Schuldenstände wieder zurückzuführen, sind in der Zukunft anfälliger für wirtschaftliche oder Finanzmarkt-getriebene Schocks”, warnte die Ratingagentur.
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Was jedoch in diesem Zusammenhang erwähnenswert bleibt, ist die Tatsache, dass die Ratingänderungen oftmals dem Markt hinterherhinken. Die Kapitalmärkte spüren die Risiken oft eher als die Ratingagenturen, weshalb die Ratingänderungen der Realität dann ,,hinterherfallen‘‘ und damit eher deklaratorischen als konstitutiven Charakter haben. Dies war auch in der Finanzkrise 2008/2009 der Fall.
Moody’s ist eine der drei großen Ratingagenturen weltweit, die die Kreditwürdigkeit der Länder bewertet. Daran orientieren sich internationale Investoren wie Pensionskassen, Banken und Versicherungen, die auch aufgrund gesetzlicher Vorschriften einen Teil ihrer Anlagen in als sicher geltende Papiere investieren müssen.
Fazit
Für den Markt ist die neue Untersuchung von Moody’s keine Überraschung. Der Hinweis der Analysten auf die notwendige Rückführung der Verschuldung hat allerdings eher Hoffnungscharakter. Denn das bereits hohe Schuldenniveau, welches in der vorangegangenen Krise erreicht wurde, konnte seither eben nicht überzeugend zurückgeführt werden.
Die niedrigen Zinsen gerade im Euroraum sind damit eher Ausdruck der ,,Marktmacht‘‘ der Notenbankinterventionen auf dem Anleihemarkt als Widerspiegelung einer dem aktuellen Zins entsprechenden Kreditwürdigkeit.
Man sollte deshalb die aktuelle Studie von Moody’s auch als Mahnung daran lesen, dass den Notenbanken dieser Preisunterdrückungsmechanismus entgleiten könnte. Denn letztlich sind die Ausfallrate und die Eintrittswahrscheinlichkeit des Krisenfalls entscheidend. Wie die Staaten diesem Krisenszenario ausweichen wollen, ist bei einem Blick auf die bereits zuvor historisch niedrigen Wachstumsraten zweifelhaft.
22.06.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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