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BFH zur freiberuflichen Tätigkeit bei Mitunternehmerschaften: Auch Organisation kann „freier Beruf“ sein

BFH, Urteil vom 4. Februar 2025 – VIII R 4/22

NTG24 - BFH zur freiberuflichen Tätigkeit bei Mitunternehmerschaften: Auch Organisation kann „freier Beruf“ sein

 

In einer praxisrelevanten Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Maßstäbe für freiberufliche Einkünfte bei Mitunternehmerschaften von Berufsträgern konkretisiert. Danach kann auch ein Zahnarzt, der innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft nahezu ausschließlich organisatorische und administrative Tätigkeiten übernimmt, freiberufliche Einkünfte im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielen – selbst wenn die eigene Behandlungstätigkeit äußerst geringfügig ausfällt.

 

Sachverhalt: Zahnarzt ohne klassischen „Patientenkontakt“

 

Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer war an einer Gemeinschaftspraxis beteiligt, übte jedoch keine regelmäßige zahnärztliche Behandlung aus. Seine Aufgaben beschränkten sich im Wesentlichen auf kaufmännische Leitung, Organisation und Administration der Praxis. Lediglich fünfmal im Jahr erbrachte er konsiliarische Beratungen gegenüber Patienten.

Das Finanzamt sah darin keine ausreichende „persönliche Mitwirkung“ im Sinne einer freiberuflichen Tätigkeit und wollte gewerbliche Einkünfte ansetzen. Dagegen klagte der Zahnarzt – mit Erfolg.

 

Entscheidung des BFH: Freiberufliche Tätigkeit trotz minimaler Behandlung

 

1. Keine Mindestgrenze für Behandlungsumfang

Der BFH stellt in seinem Urteil klar: Das Einkommensteuergesetz fordert keinen Mindestumfang an klassischer, nach außen gerichteter Berufstätigkeit (Rn. 24). Es genügt bereits ein sehr geringer Umfang eigener fachlicher Leistungen, um den Charakter einer freiberuflichen Tätigkeit zu wahren.

Im vorliegenden Fall genügten fünf konsiliarische Beratungen im Jahr. Damit sei der Zahnarzt am Markt tätig geworden – auch wenn der überwiegende Teil seiner Arbeit intern-organisatorischer Natur war (Rn. 28).

2. Organisatorische Tätigkeit als Teil der freiberuflichen Arbeit

 

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Werbebanner AudipyZudem erkennt der BFH an, dass auch organisatorische und administrative Tätigkeiten, wenn sie im Zusammenhang mit einer Berufsausübungsgemeinschaft erbracht werden, Teil der freiberuflichen Mitunternehmerschaft sein können. Entscheidend sei, dass der Berufsträger weiterhin in die gemeinsame Berufsausübung eingebunden ist und die Arbeit fachlich qualifizierten Zwecken dient (Rn. 25).

 

Rechtsanwendung: Rückwirkung der neuen FGO-Vorschrift

 

Besonders bemerkenswert ist auch die prozessuale Komponente des Urteils. Der BFH bestätigt, dass die zum 1. Januar 2024 in Kraft getretene Neufassung des § 48 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a FGO (durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz) auch auf Altverfahren anwendbar ist (Rn. 19). Dies entspricht der Linie aus dem BFH-Urteil vom 8. August 2024 – IV R 1/20.

 

Bedeutung für die Praxis

 

Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für Berufsausübungsgemeinschaften, insbesondere in Heilberufen:

- Berufsträger müssen nicht zwingend selbst „am Stuhl“ arbeiten, um freiberuflich tätig zu sein.

- Organisationsleistungen innerhalb einer Berufsgemeinschaft können ausreichen, wenn sie mit fachlicher Qualifikation verbunden sind.

- Eine geringe persönliche Marktpräsenz genügt, um freiberufliche Tätigkeit anzunehmen – etwa durch gelegentliche Patientenberatung.

Diese Sichtweise stärkt die Gestaltungsfreiheit von Gemeinschaftspraxen und Partnerschaften und reduziert das Risiko einer Gewerbesteuerpflicht aufgrund vermeintlich fehlender Berufsausübung.

 

18.04.2025 - Daniel Eilenbrock

Unterschrift - Daniel Eilenbrock

 

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