Signalwirkung für Geldhäuser in Deutschland
LG Leipzig entscheidet über Zulässigkeit von Negativzinsen
Das Landgericht (LG) Leipzig hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass Negativzinsen auf Girokonten für Neukunden und Bestandskunden, die das Kontomodell wechseln, zulässig sind und hat damit eine Klage der Sparkasse Vogtland abgewiesen. Dies kann Bedeutung für die Finanzbranche haben, da Negativzinsen immer beliebter werden.
Der Negativzins, oder auch Verwahrentgelt genannt, wird immer gängiger bei Geldhäusern. Diese begründen das mit der anhaltenden Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Denn diese hatte im Sommer 2014 Negativzinsen für Geschäftsbanken eingeführt und im Herbst 2019 den Strafzins für kurzfristige Einlagen der Geldhäuser bei der Notenbank auf 0,5 Prozent erhöht. Gleichzeitig räumt sie ihnen Freibeträge ein.
Als mittelbare Folge davon hat die Verbraucherzentrale Sachsen die Sparkasse Vogtland vor anderthalb Jahren auf Unterlassung verklagt, da diese bei Neukunden und bei Bestandskunden nach einem Kontowechsel zeitweise ein Verwahrentgelt in Höhe von jährlich 0,7 Prozent veranschlagte. Die Sparkasse verzichtete zwar infolge von deutlichen Protesten nach kurzer Zeit auf das Verwahrentgelt, lehnte aber eine Unterlassungserklärung ab, die von der Verbraucherzentrale gefordert wurde.
Diese meint, dass die Klausel, laut der die Sparkasse Negativzinsen beim Girokonto erheben wollte, aus mehreren Gründen unwirksam sei. Sie erklärte, als sie die Sparkasse Anfang 2020 abmahnte, dass die Negativzinsen für Kunden überraschend und generell nicht zulässig seien.
Urteil des Gerichts
Das LG Leipzig hat die Klage nun in weiten Teilen abgewiesen. Dem Urteil zufolge war die Einführung und konkrete Ausgestaltung des Verwahrentgelts für Neukunden ebenso zulässig wie für Bestandskunden, die ihr Kontomodell wechselten. Lediglich für ein Kontomodell für Schüler und Studenten darf dem Urteil zufolge kein Verwahrentgelt erhoben werden, da dies mit kompletter Gebührenfreiheit beworben werde.
Die Richter betrachten die Negativzinsen als eine Preisnebenabrede, die nicht kontrollfähig sei. Das Gericht argumentiert, dass die Sparkasse die Verwahrentgeltklausel auch in die Anlage „Verwahrentgelt Girokonto“ mit aufgenommen hatte, die vom Kunden bei Vertragsabschluss unterzeichnet wurde. Dies sei ein wichtiger Unterschied, da so das Verwahrentgelt durch eine individuelle Vereinbarung einbezogen wurde und nicht durch AGB.
Zudem wurde darauf hingewiesen, dass auch Sparkassen in gewissem Maße wirtschaftlich agieren müssen.
Bedeutung des Urteils
Zum einen ist dieses Urteil von Bedeutung, da es bisher zu dieser Thematik kaum Rechtsprechung gab. Lediglich in einem Urteil des LG Tübingen vom Januar 2018 in einem Verfahren der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die Volksbank Reutlingen ging es ebenfalls um Verwahrentgelte. Nach diesem Urteil darf die Volksbank Reutlingen jedoch bei bestehenden Geldanlageverträgen nicht nachträglich einseitig einen Negativzins einführen, beschied das Gericht damals.
Zum anderen wird in dem Urteil des LG eine Signalwirkung für die Finanzbranche in Deutschland aufgrund der starken Verbreitung von Negativzinsen gesehen.
Trotz alledem bleibt erstmal abzuwarten, denn die Verbraucherzentrale kündigte Berufung gegen das Urteil an und machte deutlich, den Streitfall im letzten Schritt auch durch den Bundesgerichtshof entscheiden zu lassen.
08.07.2021 - Ann-Kathrin Wellen - akw@ntg24.de
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