
Wirtschaftliche Zurechnung von Wertpapieren
BMF Schreiben vom 09.07.2021
Der BFH mit Urteil vom 18.8.2015, I R 88/13 über das wirtschaftliche Eigentum einer sogenannten Wertpapierleihe entschieden. Die Verwaltung hat diese Grundsätze in das veröffentlichte BMF-Schreiben vom 09.07.2021 übernommen.
BFH-Urteil:
Das Urteil vom 18.8.2015 führt zu folgendem Leitsatz:
„Das wirtschaftliche Eigentum an Aktien, die im Rahmen einer sog. Wertpapierleihe an den Entleiher zivilrechtlich übereignet wurden, kann ausnahmsweise beim Verleiher verbleiben, wenn die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles ergibt, dass dem Entleiher lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden sollte.“
Wertpapierleihe:
Bei der Wertpapierleihe handelt es sich zivilrechtlich um ein Darlehensverhälntis. Die Wertpapiere werden mit der Verpflichtung übertragen, dass für den Überlassungszeitraum ein Darlehensentgelt gezahlt wird und nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit eine Erstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge erfolgt.
Wirtschaftliche Zuordnung:
Im Regelfall ist dem Darlehnsnehmer als zivilrechtlicher Eigentümer auch das wirtschaftliche Eigentum zuzurechnen. Die wirtschaftliche Zurechnung erfolgt nach § 39 Abs.2 Nr.1 AO bei Ausübung der „tatsächlichen Herrschaft“ über das Wirtschaftsgut. Die Einwirkung des Darlehnsgebers während der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts muss ausgeschlossen sein. Die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums bei Wertpapieren erfolgt mit dem Übergang von Nutzen und Lasten.
Ausnahmen:
Die wirtschaftliche Zurechnung verbleibt beim Darlehensgeber in folgenden Fallkonstellationen:
- Rein formale Eigentümerposition des Darlehensnehmers oder
- Eine kurze Übertragung (unter 45 Tagen) über den Dividendenstichtag hinaus erfolgt ist
Eine formale Eigentümerposition beim Darlehensnehmer ist nach den Gesamtverhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen. Folgende Kriterien sind ein Indiz dafür, dass keine wirtschaftliche Zurechnung beim Darlehensnehmer vorliegt:
- Kein Liquidationsvorteil wird durch das Wertpapiergeschäft für den Darlehensnehmer erlangt, weil Zahlungen z.B. zeit- und betragsgleich erfolgen
- Aus dem Leihgeschäft erlangt der Darlehnsnehmer kein gesellschaftsrechtlicher Vorteil (Stimmrecht ist vertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt; Ausübung des Stimmrechts hat keine Relevanz)
- das Gesamtentgelt wird anhand von steuerlichen Vorteilen bemessen
- Darlehensnehmer hat eine schwache Rechtsposition durch die Möglichkeit einer jederzeitigen oder kurzfristen (drei Bankarbeitstage) Entziehung seiner Rechtsposition aus dem Vertrag
Folgen:
Die bilanziellen Folgen in abhängig von der wirtschaftlichen Zuordnung stellen sich wie folgt dar:
Zurechnung beim Darlehensnehmer:
- steuerliche Zurechnung der Darlehensvaluta
- beim Darlehensgeber ist anstelle der Wertpapiere eine Forderung zu aktivieren
- die stillen Reserven lösen keine Gewinnrealisierung aus
Zurechnung beim Darlehensgeber:
- Wertpapiere sind stets in der Bilanz des Darlehensgebers auszuweisen
- Dividenden sind dem Darlehnsgeber zuzurechnen
Anwendungsrahmen:
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Grundsätze sind auf alle Wertpapiergeschäfte anzuwenden, soweit nach Betrachtung des Gesamtsachverhalt im Einzelfall kein Übergang eines Wertminderungsrisikos erfolgt ist.
20.08.2021 - Tanja Schwedtmann
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