Verfassungswidrigkeit der Zinsen nach § 233a AO
Verzinsung mit 6 % jährlich ist ab 2014 verfassungswidrig
Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit einem Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat ist ab 01.01.2014 verfassungswidrig.
Zinsen § 233a AO:
Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen ist in § 233a AO geregelt. Nach dem Grundsatz der Vollverzinsung entstehen Zinsen für den Zeitraum zwischen der Steuerentstehung und der Steuerfestsetzung. Im Gesetz ist eine zinsfreie Karenzzeit von 15 Monaten vorgesehen, dies hat zur Folge, dass der Zinslauf nicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, beginnt. Von der Zinsfestsetzung sind demnach nur Steuerpflichtige betroffen, deren erstmalige oder eine geänderte Steuerfestsetzung nach einem längeren Zeitraum nach der Entstehung der Steuer erfolgt. Der Zinssatz nach § 238 AO liegt bei 0,5 Prozent für jeden Monat, sodass sich der jährliche Zinssatz auf 6 Prozent beläuft. Die Verzinsung ist gemäß § 233a AO auf die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Vermögensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer anzuwenden. Für die Verzinsung ist es unerheblich, ob das Verschulden für die verspätete Steuerfestsetzung bei der Behörde oder dem Steuerpflichtigen liegt.
Verfassungswidrig:
Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit dem Beschluss vom 08.07.2021 entschieden, dass die Zinsberechnung ab dem 01.01.2014 verfassungswidrig ist, soweit ein Zinssatz von monatlich 0,5 Prozent zugrunde gelegt wird. Die Verzinsung mit 0,5 Prozent pro Monat nach einer zinsfreien Karenzzeit von 15 Monaten stellt eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern dar. Die Zinsfestsetzung greift nur bei Steuerschuldnern, deren Steuer nach der Karenzzeit festgesetzt wird. Steuerpflichtige, die innerhalb der steuerfreien Karenzzeit eine Festsetzung ihrer Steuer erwirken, sind hingegen nicht mit einer Zinsfestsetzung belastet. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verzinsung auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs.1 GG erst ab dem 01.01.2014 als verfassungswidrig angesehen. Das Ziel der Vollverzinsung nach § 233a AO ist es einen fiktiven Zinsvorteil bei Steuerschuldnern auszugleichen. Dieser Zinsvorteil entsteht durch den unterschiedlichen Zeitpunkt der Festsetzung und Fälligkeit der Steuer bei den Steuerschuldnern. Die Abschöpfung des Zinsvorteils durch die Vollverzinsung ist laut Bundeverfassungsgericht geeignet zur Erreichung des Ziels. Bis einschließlich 2013 ist die Festsetzung von Zinsen als verfassungsgemäß eingestuft worden, da noch entsprechende Habenzinsen erzielt werden konnten. Das Gericht bemängelt nicht, dass ein starrer Zinssatz im Gesetz festgelegt wurde, da ein variabler Zinssatz nicht zwingend eine geringe Ungleichbehandlung garantieren würde. Der typisiert festgesetzte Zinssatz von 0,5 Prozent ist dann nicht mehr verfassungsgemäß, wenn er sich durch die tatsächlichen Bedingungen am Markt als realitätsfern erweist. Dies stellt das Bundesverfassungsgericht anhand der Entwicklung des Basiszinssatzes der letzten Jahre dar.
Fazit:
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sorgt dafür, dass die Verzinsung nach § 233a AO in Verbindung mit § 238 Abs.1 AO für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dies gilt sowohl für Nachzahlungs- als auch Erstattungszinsen. Die gesetzliche Regelung ist für Verzinsungszeiträume vom 01.01.2014 bis 31.12.2018 anzuwenden und bedarf keiner rückwirkenden Änderung durch den Gesetzgeber. Ab dem Jahr 2019 ist die bisherige gesetzliche Regelung jedoch nicht mehr anwendbar und der Gesetzgeber hat bis zum 31.07.2022 eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen, die rückwirkend ab 2019 anzuwenden ist. Eine Änderung der Zinsfestsetzung ist daher nur in den Fällen mit Verzinsungszeiträumen ab 2019 möglich und nur insoweit Einspruch gegen den Zinsbescheid eingelegt wurde oder in den Steuerbescheiden eine Vorläufigkeit nach § 165 AO enthalten ist.
24.08.2021 - Tanja Schwedtmann
Auf Twitter teilen Auf Facebook teilen
Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur
Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)