LVMH versus Dior – Luxusgüterhersteller im Duell
Das Börsenduell
Die Verbindung zwischen beiden Börsenduell-Gegnern hat einen Namen: Bernard Arnault. Dieser hat ein ebenso ausgeprägtes Gespür für Marken wie für die Mehrung seines Vermögens und hat es mit seinen 70 Jahren zum reichsten Mann Europas gebracht. Und der jüngste Coup von LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton (FR0000121014), die Übernahme des 182 Jahre alten US-Schmuckkonzerns Tiffany & Co. (US8865471085) für 16,2 Mrd. Dollar, könnte ihn bald auch weltweit auf den ersten Platz katapultieren. Tiffany ist einer der berühmtesten Marken der Schmuckindustrie und im Film ,,Breakfast at Tiffany's‘‘ (1961) mit Audrey Hepburn zu sehen. Auch Marilyn Monroe besang die Edelsteine von Tiffany 1949 mit ,,Diamonds Are a Girl’s Best Friend‘‘ in dem Musical ,,Blondinen bevorzugt‘‘.
Bernard Arnault, Chairman und CEO von LVMH, setzt mit der Übernahme allerdings nicht nur auf Volumenwachstum und Marktanteilsgewinn. Die einzelnen Marken sollen zwar eine Markenfamilie bilden, aber auch die Familie Arnault weiter stärken.
Die Markenidee von Arnault zielt darauf, dass in jedem der fünf Geschäftsbereiche Wein & Spirituosen, Mode & Lederwaren, Parfum & Kosmetik, Uhren & Schmuck sowie Detailhandel eine Kernmarke herausragt, der sich dann die weiteren Marken anschließen. Zu den bekanntesten Marken des Konzerns gehören der namengebende Lederwarenhersteller Louis Vuitton, die Champagnermarke Moët & Chandon sowie der Cognacproduzent Hennessy. Bei den Parfums ist die Leitmarke Dior, bei Schmuck Bulgari und bei Uhren Hublot.
Bernard Arnault hält die Zügel fest in der Hand
Die Macht hält Arnault dabei stets fest in der Hand, denn er besitzt nicht nur indirekt über die Christian Dior SE (FR0000130403) 41,1 % an LVMH, sondern er kontrolliert mit weiteren knapp 6 % direktem Anteilsbesitz de facto den weltgrößten Luxusgüterhersteller. Aus Sicht von Arnault, der auch CEO und Chairman von Dior ist, fügen sich also LVMH und Dior in ein und denselben strategischen Plan zur Sicherung und Mehrung des Familienvermögens ein. Denn die Christian Dior SE befindet sich zu 97,4 % im Besitz der Arnault-Familie.
Die Sparte Parfums Christian Dior S.A. gehört zu 100 % zu LVMH. 2017 übernahm Arnault weitere 25,9 % an der Christian Dior S.A., wodurch sie ihr nun zu 100 % gehört, und gleichzeitig kaufte LVMH für 6,5 Milliarden Euro die Modesparte Dior Couture S.A., wodurch Dior-Mode und -Parfüm nun vollständig im Besitz von LVMH sind.
Diese Eigentumsverhältnisse haben nicht nur eine finanzielle Dimension. Auf diese Weise kann Arnault auch sicherstellen, dass seine Firmenphilosophie stringent umgesetzt wird. Und eine stabile und wachstumsfreundliche Kombination aus eigenständiger Organisation und gemeinsamem Markenmanagement dürfte dadurch ebenfalls erleichtert werden, denn die über 60 Marken von LVMH etwa werden häufig unabhängig geführt. Die älteste von ihnen ist der Weinproduzent Château d'Yquem, dessen Ursprünge bis in das Jahr 1593 zurückgehen. Die erfolgreiche Umsetzung von Arnaults Idee der Bildung einer Markenfamilie von Luxusmarken hatte in mehrfacher Hinsicht Erfolg: Im November 2019 schätzte Bloomberg den Markenwert von LVMH auf 203 Mrd. Euro bzw. 223 Mrd. Dollar.
Der Zukauf von Tiffany dürfte für LVMH nun die Marktdurchdringung in den wachstumsstarken Märkten weiter steigern, denn damit wird der Konzern seine Marktposition im Bereich Uhren und Schmuck nicht nur ausbauen, sondern seinen Umsatz von aktuell 3,9 Mrd. Euro in dieser Sparte in naher Zukunft verdoppeln. Zudem will man in den USA verstärkt wachsen. Mit dem Tiffany-Zukauf steigt die Zahl der Schmuckläden weltweit um etwa 320, die vor allem in den USA und Asien liegen. Damit komplementiert der Kauf das bisherige Netz von 428 Läden mit Schwerpunkt Europa.
Besonders charmant für Anleger: LVMH wächst dank seiner breit diversifizierten Produkt- und Markenpalette immer noch überdurchschnittlich, wenn das die konjunkturelle Situation unsicherer wird.
Hohes Wachstum und anhaltend hohe Profitabilität
In der Folge gehört die hohe Wachstumsstabilität bei Gewinn und Umsatz mit Sicherheit zu den herausragenden Merkmalen von LVMH. Betrug die Nettoumsatzrendite 2016 noch 10,6 %, so stieg diese 2017 auf 12 % und betrug 2018 13,6 % bzw. 6,35 Mrd. Euro. Für das laufende Jahr soll diese konstant bleiben, aber schon 2020 auf 14,1 % und 2021 sogar auf 21,6 % steigen.
Auf der Basis eines für 2020 erwarteten Gewinns je Aktie von 16,1 Euro beträgt das KGV für 2020 25,3, was in etwa dem durchschnittlichen KGV des betrachteten 5-Jahres-Zeitraums entspricht. Im gleichen Zeitraum beträgt die (teilweise geschätzte) Dividendenrendite zwischen 1,7 % und 2,3 %, die Ausschüttungsquote soll 2019 bei 47,5 % liegen.
Bei Dior zeigt sich ein ähnlicher Trend, jedoch auf niedrigerer Basis: 2017 betrug die Nettoumsatzrendite 5,1 % und betrug 2018 5,5 % bzw. 2,57 Mrd. Euro. In diesem Jahr wird ein Anstieg auf 5,6 % erwartet. 2020 soll diese dann 5,7 % und 2021 5,9 % betragen.
Auf der Basis eines für 2020 erwarteten Gewinns je Aktie von 16,7 Euro beträgt das KGV für 2020 29,8, es soll aber bis 2021 auf 23,7 sinken. Die (teilweise geschätzte) Dividendenrendite liegt zwischen 1,5 % und 1,8 %, die Ausschüttungsquote für 2019 wird bei 42,2 % erwartet.
Vor allem aber ist für die optimale Positionierung beider Unternehmen die Antwort auf die Frage wichtig, welches die zukünftigen Wachstumsfelder sind und welche Zielgruppe sie antreibt.
Jean-Jacques Guiony, CFO von LVMH, betont, dass die Übernahme von Tiffany auch deshalb so attraktiv war, weil sie neben der starken Marke zudem eine Stärkung des Schmucksektors für LVMH ermöglicht. Dieser Sektor hat hohe Eintrittsbarrieren, was Folgen für die Anbieterstruktur und den Wettbewerb hat. LVMH setzt dabei auch auf eine weiter wachsende Mittelschicht, vor allem in China und anderen aufstrebenden Märkten. Dies war bislang der wichtigste Wachstumstreiber, vor allem in Asien.
Daneben setzt LVMH nicht nur auf Kernmarken, sondern auch auf Stars, an denen sich die Zielgruppen der Zukunft orientieren und die stilbildend wirken und damit auf die Konsumpräferenzen sowie die Zahlungsbereitschaft Einfluss haben. Und so hat LVMH im Mai 2019 zusammen mit der Sängerin Rihanna Fenty gegründet, ein neues Modehaus für Kleidung und Schuhe im Luxusbereich. Der Grund liegt auf der Hand: Zielgenaues Marketing für die 71,7 Mio. Abonnenten ihres Instagram-Accounts.
Bildnachweis: © Flughafen Zürich AG
Eine weitere Initiative von LVMH zielt auf den Umstand, dass die Echtheit bzw. Fälschungssicherheit hochwertiger Luxuswaren ein wichtiges Merkmal seiner Preisstabilität ist. LVMH, ConsenSys und Microsoft arbeiten an der Entwicklung einer Blockchain-Plattform mit dem passenden Namen ,,Aura‘‘ für die Verifizierung von Luxusgütern. Eingesetzt wird dafür die Etherum-Blockchain-Technologie sowie Microsoft Azure. Dabei soll zukünftig jeder Akteur der Luxusindustrie in die Blockchain eingebunden werden. Beginnend beim Designer und Rohstoffproduzenten über die Herstellung werden alle in die Blockchain integriert. Dadurch kann der einzigartige Herstellungsprozess jedes einzelnen Produkts bis hin zum Verkaufsort nachvollzogen werden. In der nächsten Stufe beabsichtigt LVMH, seine geistigen Eigentumsrechte stärker zu schützen. Denn die detaillierte Nachverfolgung ist ein Nachweis der Echtheit der Ware und damit ein Mittel im Kampf gegen die Produktfälschung.
Dass dies nicht nur für Mode anwendbar ist, zeigt das Beispiel des 130 Jahre alten US-amerikanischen Likörherstellers William Grant & Sons, der kürzlich mitteilte, er werde eine seiner Whisky-Marken auf Blockchain umstellen, um seine Herkunft nachzuweisen.
Die genannten Initiativen gelten vor dem Hintergrund des von Bernard Arnault gelenkten Markenmixes sowohl für LVMH als auch für Dior. Dies trifft auch auf die Markentrends zu, die im bereits sechsten ,,True Luxury Global Consumer Insight‘‘ von Boston Consulting Group (BCG) im April 2019 vorgezeichnet wurden. Vor dem Hintergrund eines Marktvolumens für Luxusgüter von weltweit 920 Mrd. Euro im Jahr 2018 zeichnet sich für BCG ein Wachstum von 4 % - 5 % jährlich bis 2025 ab. Hauptmarkt für Luxusgüter dürfte weiter China bleiben, dessen Marktanteil von aktuell 33 % auf 40 % im Jahr 2025 steigen soll. Neben den bereits sichtbaren Trends identifiziert BCG auch neue und sich beschleunigende Trends. Zu den Letzteren gehören unter anderem die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit für die Zahlungsbereitschaft, die zunehmende Verbindung von Casual- und Luxusmode, die weiter stark wachsende Rolle von Social Media und Influencern auf die Wahrnehmung von Marken sowie der Online-Handel. Zu den neu aufkommenden Trends gehören Collaboration und die steigende Bedeutung von Second-Hand für Luxuswaren.
Einen Vorgeschmack, welche Entwicklungen von Collaboration ausgehen können, genügt ein Blick auf das zunehmende Co-Branding. Im November 2019 gaben Prada und Adidas die Auflage einer limitierten Kollektion von ,,Prada for Adidas‘‘ Produkten mit einer Auflage von 700 Stück (Tasche und Sneaker) bekannt, die eine Seriennummer haben werden. Und auch um Dior verdichten sich die Anzeichen, dass das Unternehmen mit Nike eine gemeinsame Kollektion herausbringt.
All die Initiativen und Trends zeigen das Fundament starker Marken. Die DNA von Dior und LVMH ist geradezu prädestiniert dafür, andere Produkte aufzuwerten. Es sollte deshalb in naher Zukunft noch deutlich mehr Initiativen von beiden Unternehmen dazu geben.
Doch welcher Aktie sollte man nun den Vorzug geben?
Ein Blick auf den langfristigen Chart erleichtert die Entscheidung. Auch wenn beide Unternehmen von den derzeitigen Trends profitieren, so hat sich die Dior-Aktie in den letzten 3 Jahren noch besser als die Aktie von LVMH entwickelt. Dass Dior die Impulsdynamik von LVMH nachzeichnet, ist angesichts der Eigentumsverhältnisse keine Überraschung. Den französischen CAC-40-Index haben beide Aktien um Längen geschlagen, was wiederum daran erinnert, dass Selektion auch hier Trumpf sein kann.
Fazit
Sowohl LVMH wie auch Dior gehören zu den wahren Luxus-Aktien. Ihre aktuelle Bewertung ist nicht überhöht, zumal mit anhaltend hoher Gewinndynamik gerechnet werden kann. Die operativen Risiken aus der Tiffany-Übernahme sind aufgrund der Beteiligungsverhältnisse bei Dior geringer. Wir entscheiden uns deshalb für einen Punktsieg für Dior-Aktie, welche auch in unserem Strategiedepot Vermögensstreuung enthalten ist. Es ist wohl doch etwas dran an der koketten Aussage von Bernard Arnault, ihm bedeute Geld nicht viel. Geld, sagte er in einem Interview mit dem Telegraph, sei nur eine Konsequenz von dem, was er mache. In diesem Sinne kann man nur hoffen, dass er noch lange weitermacht!
01.12.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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