Platinprognose des WPIC schwankt wie der Tisch auf der wogenden Titanic – Anglo American Platinum mit Rückenwind
WPIC – Prognosen für den globalen Platinmarkt sollten hinterfragt werden
Die neueste Prognose des World Platinum Investment Council (WPIC) zum weltweiten Platinmarkt wirft mehr Fragen auf, also sie beantwortet. Der Prognose-Nebel nimmt weiter zu, die Plausibilität weiter ab. Die charttechnische Analyse der langfristigen Preisentwicklung ergibt eine deutlich andere Bewertung als jene, die der heute veröffentlichte Platin-Quartalsbericht nahelegt. Es ergibt sich aber der Bedarf, die Rolle Chinas auf dem Platinmarkt stärker zu verfolgen.
Der Platinmarkt ist gemessen an seiner ökonomischen Bedeutung physisch sehr klein. Die Gesamtmenge der weltweiten Platin-Minenproduktion betrug 2021 180 Tonnen. Davon produzierte Südafrika 130 Tonnen (72,2 %), Rußland 19 Tonnen (10,6 %), Simbabwe 15 Tonnen (8,3 %), Kanada 6 Tonnen (3,3 %), die USA 4,2 Tonnen (2,3 %) und andere 4,3 Tonnen (2,4 %). Damit wird deutlich, dass Südafrika auf dem globalen Platinmarkt praktisch ein Angebotsmonopolist ist und die Entwicklungen in diesem Land einen vielfach höheren Einfluss auf den Weltmarktpreis haben als jene in allen anderen Staaten.
In unserem letzten Beitrag ,,Wackelige Prognosen für das weltweite Platinangebot‘‘ zur Dynamik am globalen Platin-Markt vom 02.02.2022 wiesen wir zuletzt auf den anhaltend hohen ,,Prognose-Nebel‘‘ auf dem Platinmarkt hin und erwarteten weitere Überraschungen auf dem physischen Platinmarkt, falls sich Marktbedingungen auch nur geringfügig in Richtung eines Angebotsdefizites verschieben sollten.
Einen großen Schritt in diese Richtung geht der World Platinum Investment Council (WPIC). Die heute im ,,Platinum Quarterly 04/2021‘‘ veröffentlichte Prognose des WPIC bestätigt sowohl unsere Trendaussage zum Platinmarkt als auch die anhaltend hohe Dichte des Prognose-Nebels beim WPIC. Dies zeigen insbesondere die Ausführungen des WPIC zu China. Auch die Erklärungen zur ETF-Nachfrage werfen Fragen auf.
Insgesamt ging der WPIC für das weltweite Angebot bei seinem letzten Quartalsbericht noch von 8,114 Mio. Unzen für 2021 und 8,235 Mio. Unzen im Jahr 2022 aus. Daraus wurden nun 8,242 Mio. Unzen für 2021 und 8,182 Mio. Unzen für 2022 und damit statt einem Zuwachs von 1 % ein Rückgang von 1 % im Jahresvergleich.
Interessanter ist jedoch die Nachfrageseite. Die Gesamtnachfrage beträgt aktuell für 2021 nicht mehr 7,345 Mio. Unzen wie noch im November prognostiziert, sondern nur noch 7,01 Mio. Unzen. Für 2022 wird diese nunmehr bei 7,53 Mio. Unzen erwartet und nicht mehr mit 7,598 Mio. Unzen, wodurch sich für 2021 ein Rückgang von 9 % statt 5 % und für 2022 ein Anstieg von 7 % statt 3 % ergibt.
Unter dem Strich errechnet das WPIC für 2021 ein Angebotsüberschuß von 1,232 Mio. Unzen, nachdem dieser im November 2021 noch bei 769.000 Unzen lag. Und für 2022 erwartet der WPIC nun einen Angebotsüberschuß von 632.000 Unzen statt noch von 637.000 Unzen letzten November. Damit hat sich der Angebotsüberschuss für 2021 um 60,2 % innerhalb von 3 Monaten erhöht!
Dies wirft weitere Fragen nach der Prognose-Güte bzw. der Dichte des Prognose-Nebels beim WPIC auf. Einen Hinweis liefert dieser aber bereits mit. Der WPIC verweist darauf, dass außergewöhnlich starke Platineinfuhren nach China das wahre Marktgleichgewicht verschleiern! Als Kriterium gibt der WPIC die Differenz der Platinimporte Chinas im Vergleich zudem vom WPIC ,,ermittelten Bedarf des Landes‘‘ an und verweist zur Erklärung für dieses seltsame Vorgehen darauf, dass die begrenzte Reisetätigkeit des WPIC in China einen detaillierten Einblick in die überschüssigen Importe erschwert habe.
Im Ergebnis betont der WPIC, dass China durch seine höheren Importe den gesamten jährlichen weltweiten Überschuss absorbierte! Welche Erklärungskraft haben aber Prognosen, bei denen die Erklärung ihrer faktischen Irrelevanz gleich mitgeliefert wird?
Vor dem Hintergrund der erwähnten strategischen Bedeutung von Platin für die nachhaltige Elektromobilität und die ,,grüne Wende der Weltwirtschaft‘‘ muß man stattdessen gar nicht viel spekulieren, um sich weitsichtige Käufe chinesischer Unternehmen und staatlicher Institutionen plausibel zu machen.
Hier lohnt sich ein praktischer Vergleich: Das zulässige Gesamtgewicht eines LKW-Zuges mit 4 Achsen beträgt in Deutschland 36 Tonnen. Die 180 Tonnen weltweite Platinminenproduktion passen also auf 5 vollbeladene LKW dieser Ausstattung.
Wenn man sich in einer Rückschau der letzten 4 Jahre vergegenwärtigt, wie sehr sich der WPIC alleine bei der Investmentnachfrage für Platin verschätzt hat, sollte man die jüngste Schätzung insbesondere für 2022 mit großer Vorsicht behandeln.
In der WPIC-Schätzung vom November 2021 hatte diese noch bei 225.000 Unzen gelegen und stürzt nun in der neuen Prognose auf – 43.000 Unzen ab. Für dieses Jahr wird jedoch ein Anstieg auf 329.000 Unzen nach 302.000 in der alten Schätzung angenommen.
Diese Zahlen wirken insbesondere vor dem Hintergrund der derzeitigen Lage an den Kapitalmärkten einigermaßen unplausibel. Nachdem etwa die ETF-Nachfrage im Krisenjahr 2020 noch bei 509.000 Unzen lag, fiel sie gemäß WPIC 2021 auf – 237.000 Unzen und soll 2022 auf 50.000 Unzen steigen, also auf weniger als ein Zehntel der ETF-Nachfrage im Jahr 2020!
Wie plausibel ist dieses Szenario bei einem Platinpreis, der seinen Korrekturboden gebildet haben und seine bereits überwundene langfristige Abwärtstrend-Linie erfolgreich getestet haben könnte? Wie plausibel ist die ETF-Prognose des WPIC für 2022 angesichts der massiven Umsatzsteigerung bei Platin in den vergangenen Wochen? Die charttechnische Ausgangslage zeigt folgender langfristiger Kurschart.
Platin auf TradingView
Von der abzusehenden zunehmenden Knappheit von Platin, seiner geringen physischen Marktgröße und der strategischen Bedeutung Platins für die ,,grüne Wende der Weltwirtschaft‘‘ dürfte insbesondere der weltgrößte Platinproduzent Anglo American Platinum (ZAE000013181) profitieren. Die Aktie befindet sich auch in unserem Themendepot Edelmetalle.
Und was ist das Fazit?
Die neueste Analyse des weltweiten Platinmarktes durch den WPIC mahnt zur ,,Prognose-Demut‘‘. Die entsprechenden Geltungsvorbehalte fehlen allerdings, und die Analysetiefe der chinesischen Platinimporte, welche nach eigenen Aussagen praktisch den gesamten Angebotsüberschuß im Jahr 2021 ausgeglichen haben, ist kaum sichtbar und wird in die Zukunft verlagert.
Dabei legen die hohe strategische Bedeutung Platins für die grüne Wende der Weltwirtschaft, seine relative preisliche Attraktivität vor allem im Vergleich zu Palladium und seine geringe physische Marktgröße ebenso wie seine charttechnische Ausgangslage nahe, dass die im Dunklen liegenden Gründe chinesischer Platinimporte schlicht weitsichtiges strategisches Handeln zeigen.
Damit könnte die Nachfrageprognose für 2022 neben einer unplausiblen ETF-Nachfrageschätzung bald einigen sehr plausiblen ,,Überraschungen‘‘ ausgesetzt sein.
09.03.2022 - Arndt Kümpel
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