Platinausblick weiter mit Prognosenebel – Anglo American Platinum betroffen
Wackelige Prognosen für das weltweite Platinangebot
Die Corona-Pandemie hat eindrücklich daran erinnert, wie schnell Angebots- und Nachfrageprognosen auf Sand gebaut sein können. Der Abbau der statistischen Effekte der Pandemie beim Platinangebot ist dabei noch nicht abgeschlossen. Bereinigt um diese Effekte ist eine Rückkehr zum Niveau der Minenproduktion vor der Pandemie erst ab 2024 zu erwarten. Dabei könnte es bereits im 2. Halbjahr 2022 zu Überraschungen kommen. Große Platinproduzenten wie Anglo American Platinum würden dabei zusätzliche Marktmacht aufbauen.
Soweit es bei der Preisbildung an den Märkten darum geht, wie sehr der Hund (reales Angebot & reale Nachfrage) noch mit dem Schwanz (monetäres Angebot & monetäre Nachfrage) wedelt und nicht anders herum, ist die Frage, ob auf diesen physischen Märkten eine Angebots- oder Nachfrageüberschuß besteht bzw. bestehen wird, von zentraler Bedeutung für eine Preisprognose.
Dabei haben die Störungen bei der Bereitstellung des Angebots seit der Corona-Pandemie nicht nur durch die Maßnahmen zum Infektionsschutz im Bergbau selbst zugenommen, sondern auch jene in den Lieferketten. Im Ergebnis wurden diese instabil und trugen wesentlich zu den seit fast 2 Jahren deutlich gestiegenen Rohstoffpreisen bei.
Auf dem Platinmarkt standen sich dabei stillgelegte Minen, zurückgehaltene Halbfabrikate und ein Förderstau einerseits und ein Nachfrageschock andererseits gegenüber. Dies machte eine Prognose 2020 für das Jahr 2021 und darüber hinaus sehr schwer. Die diesbezüglichen Prognosen hatten eine hohe Halbwertszeit. Je nach Wunschergebnis der Fortschreibung einer Dynamik kam es wahlweise entweder zu einem Angebots- oder Nachfrageüberschuss auf dem Platinmarkt. Im Rückspiegel hat die Corona-Pandemie 2020 zu einem Rückgang der Minenproduktion von Platin gegenüber 2019 in Höhe von rund 1,2 Mio. Unzen bzw. um 20 % geführt. Und bei gleichzeitig robuster Investmentnachfrage ergab sich für 2020 ein Angebotsdefizit bei Platin von 904.000 Unzen.
Inzwischen hat sich die Situation im Förderbereich wieder entspannt. Und im Zuge dessen stieg auch der Ausstoß raffiniertem Platins wieder an. Wie nun aber der World Platinum Investment Council (WPIC) in seinen jüngsten ,,Platinum Perspektives‘‘ hervorhebt, könnte dies zu einem verzerrten Blick auf die darunterliegende Produktionsdynamik führen.
Danach stieg der Ausstoß an raffiniertem Platin parallel zu den seit Ende 2020 steigenden Platinpreisen an. Dieser Zuwachs war jedoch dem Basiseffekt gegenüber dem von Produktionsstörungen betroffenen Basisjahr 2020 und einem Abbau der zuvor aufgebauten Platinbestände geschuldet. 2021 dürfte die Minenproduktion wieder auf das Niveau von 2019 zurückgekehrt sein. Nach Ansicht des WPIC dürfte zudem der verbleibende Teil der aufgestauten Platinbestände im 1. Halbjahr 2022 auf den Markt kommen.
Insgesamt erwartet der WPIC im Jahr 2022 einen weiteren Anstieg des Platinminenangebotes. Allerdings ist der Abbau der rückgestauten Platinbestände im Laufe dieses Jahres im Wesentlichen abgeschlossen.
Da jedoch ein Teil der Bestände zur Minenproduktion zählt, dürfte mit Auslaufen des Verkaufs der zurückgehaltenden Bestände (etwa bei halbfertigem Platin) die angebotene Menge im laufenden Jahr deutlich weniger zulegen als erwartet. Dies betrifft unter anderem auch Anglo American Platinum (ZAE000013181). Der WPIC sieht deshalb die Normalisierung des Platinminenangebotes auf ein Niveau vor der Corona-Pandemie erst ab 2024.
Ein Blick auf die langfristige Entwicklung des Platinpreises zeigt, dass dieser Ende November 2020 aus seinem langfristigen Abwärtstrend nach oben ausgebrochen ist und seither diesen Ausbruch konsolidiert hat. Dabei setzte er lehrbuchmäßig von oben auf den zuvor überwundenen Abwärtstrend auf und bestätigte damit das neue langfristige Kaufsignal.
Chart 2 zeigt die Preisentwicklung seit dem Corona-Schock im März 2020. Dabei wird deutlich, dass die Konsolidierung von Platin mit einiger Wahrscheinlichkeit auch auf kleinerer Skale geordnet stattfand und mit der Bildung eines Doppelbodens einherging. Dieser ist allerdings noch nicht abgeschlossen, weshalb es ein Restrisiko bei der Interpretation der Umkehrformation (Doppelboden) gibt.
Und was ist das Fazit?
Ein näherer Blick auf die Aufholeffekte bei der Minenproduktion von Platin zeigt unter der Oberfläche, dass die Rückkehr des Minenangebots im Jahr 2021 auf Sondereffekte zurückzuführen ist, die im 1. Halbjahr 2022 auslaufen dürften. Aus diesem Grund ist mit einer bereinigten Rückkehr zu einem Niveau der Minenproduktion erst bis 2024 zu rechnen. Je wahrscheinlicher diese Prognose des WPIC wird, umso mehr dürfte der neue langfristige Aufwärtstrend bei Platin gestärkt werden.
Der Marktpreis könnte also in Zukunft auch vonseiten des realen Platinangebotes trendbestätigenden Rückenwind erhalten.
Weitere Überraschungen bei der Platinnachfrage könnten zudem auch ohne Extremszenarien wieder zu einem deutlichen Angebotsdefizit wie bereits im Jahr 2020 führen. Eine relativ preisunelastische Minenproduktion würde eine steigende Investmentnachfrage kaum kurzfristig abdecken. Daran ändern auch höhere Investitionen in die Minenproduktion nur wenig. Und schließlich dürfte die Nachfrage aus dem Automobilsektor aufgrund zunehmend restriktiver Emissionsvorschriften weiter steigen.
Im Ergebnis ist mit weiteren Überraschungen auf dem physischen Platinmarkt zu rechnen, denn sollten sich Marktbedingungen auch nur geringfügig in Richtung eines Angebotsdefizites verschieben, dürfte eine relativ preisunelastische Angebotsseite einen bedeutenden neuen Aufwärtsimpuls für den Platinpreis generieren.
02.02.2022 - Arndt Kümpel
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