Türkische Lira weiter unter starkem Abwertungsdruck – Garantibank im Blick
Türkische Lira leidet weiter unter starkem politischen Einfluss
Die türkische Lira hat sich von ihrer massiven Abwertung im vergangenen Dezember bislang kaum erholt. Zwar sind die extremen Schwankungen geringer geworden, an dem beschleunigten Abwertungstrend hat sich dagegen nichts geändert. Die niedrigen Devisenreserven der türkischen Notenbank und eine vertrauenszersetzende Geldpolitik machen die Lira sehr verwundbar für weitere drastischen Wertverluste, insbesondere gegen Gold und den US-Dollar. Betroffen sind dabei nicht nur die türkischen Verbraucher und Sparer, sondern auch die Banken wie die Garantibank.
Wenn die Ereignisdichte an den Kapitalmärkten steigt, verliert man frühere Ereignisse, welche sich für einen Vergleich mit der derzeitigen Lage und damit auch zu einer besseren Einordnung und Bewertung eignen, schnell aus dem Blick.
Wer macht sich noch die Mühe, die derzeitigen Turbulenzen mit denen der Finanzkrise ab 2008 zu vergleichen?
Und in Bezug auf die Entwicklung der türkischen Lira wäre ein Betrachtungszeitraum sinnvoll, der geeignet ist, situative Faktoren von Entwicklungstrends zu unterscheiden.
Dies ist in der Regel Aufgabe von Research-Abteilungen von Banken oder Wirtschaftsforschungs-Instituten. Aber auch diese haben bereits seit Monaten die Alarmglocke geläutet, was die Turbulenzen an den Devisenmärkten angeht. Diese bewegen sich allerdings nicht im luftleeren faktorfreien Raum, sondern spiegeln die Dynamik der Kapitalströme und deren regulatives Umfeld wider. Wesentliche Bestimmungsgründe für die Bewegung der Kapitalströme sind neben nominalen Zinsen auch die realen Zinsen, deren erwartete Differenz in der Zinsparitäten-Theorie zu einem Zufluss oder Abfluss führt und dabei einen Aufwertungs- oder Abwertungsdruck auf die Inlandswährung auslöst.
Diesem kann die Notenbank des Landes oder auch in einer konzertierten Aktion mehrerer Notenbanken in einer Intervention entgegentreten, wenn ein Wechselkurs politisch unerwünscht ist. Dafür braucht sie aber Devisenreserven, die sie haben oder sich leihen kann. Sind diese alle, fällt ein wesentlicher Puffer gegen hohe Wechselkurs-Schwankungen weg. Und auch dies war mit Blick auf die türkische Lira ein Grund für den regelrechten Absturz der türkischen Lira gegen den US-Dollar.
Dabei lohnt es sich, einen Blick auf die Gründe der vorangegangenen Abwertungsphase im Jahr 2018 zu werfen.
Denn im Sommer 2018 stand nicht nur die türkische Lira unter hohem Abwertungsdruck, sondern das Land erlebte auch eine ausgemachte Schuldenkrise. Nach einem Vertrauensverlust in die türkische Geldpolitik in Kombination mit einer geopolitischen Konfrontation der Türkei mit den USA führte der Wertverlust der türkischen Lira zu stark gestiegenen Fremdkapitalkosten und hohen Inflationsraten, die große Kreditausfälle zur Folge hatten.
Zu dieser Situation trug ein anhaltend chronisches Leistungsbilanz-Defizit ebenso bei wie hohe private Schulden. Der autoritäre Führungsstil des türkischen Präsidenten Erdogan schwäche massiv das Vertrauen in die Unabhängigkeit der türkischen Notenbank, was wiederum den bereits erwähnten erwarteten Realwert der Währung (Nominalwert minus erwartete Inflation) drückte.
Wirft man einen Blick auf die langfristige Entwicklung des Wechselkurses der türkischen Lira zum US-Dollar, so zeigt sich aber nicht nur ein einfacher linearer Wertverlust. Vielmehr hat die Kursentwicklung eher die Form einer exponentiellen Funktion!
Türkische Lira in US-Dollar auf TradingView
Dies ist auch volkswirtschaftlich nachvollziehbar. Denn die jüngsten türkischen Wirtschaftsdaten bestätigen, dass der erwartete (Termin-) Wechselkurs nochmals deutlich tiefer liegen dürfte als der aktuelle.
Denn in ihrer Sitzung am 17.03.2022 konstatierte die türkische Notenbank für Februar 2022 noch eine annualisierte Verbraucherpreis-Inflation von 54,44 % und ließ den Leitzins bei 14 %.
Im März stieg die türkische Inflationsrate nun mit einer Jahresrate von 61,14 % im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Eigentlich zielt die Geldpolitik der türkischen Zentralbank auf eine Inflation von 5 %. Seit Jahren liegt diese aber im zweistelligen Bereich und damit zerfällt auch der Wert auf türkische Lira lautender Einkommen und Sparguthaben. Durch politische Intervention Erdogans wurden aber die Leitzinsen nicht angemessen erhöht, sondern sogar gesenkt. Erdogan denkt, dass hohe Zinsen Inflation verursachen. Stattdessen legte er ein neues Konjunkturprogramm auf. Man darf also auf die laufende ,,Case Study‘‘ seiner eigenen Landeswährung gespannt sein. Betroffen sind davon aber nicht nur die türkischen Verbraucher, sondern auch die türkischen Banken wie die Garantibank (US9001487019).
Derweil hat die Notenbank ihren Krisenpuffer in Form von Devisenreserven in den letzten Jahren praktisch verbrannt. Um sich gegen den drastischen Abwertungsdruck ab 2018 zu stemmen, verkaufte die Zentralbank zwischen 2018 und 2020 rund 128 Mrd. US-Dollar an Devisenreserven, um die Lira zu stützen. Genützt hat es nichts! Zum 25.03.2022 betrugen diese noch mickrige 15,96 Mrd. US-Dollar. Damit ist die Lira denkbar schlecht für eine neue Kapitalflucht oder einen neuen ,,Terms of Trade‘‘-Schock durch explodierende Rohstoffpreise vorbereitet. Zieht man die aktuellen Swap-Vereinbarungen der Notenbank in Höhe von 39.853 Mrd. US-Dollar ab, so ergibt sich sogar ein negativer Reservebestand!
Und was ist das Fazit?
Die türkische Notenbankpolitik ist nicht mehr unabhängig. Dies führte zu einem bis heute anhaltenden massiven Vertrauensverlust in die türkische Lira und zu einer anhaltenden Kapitalflucht in Gold und US-Dollar.
Ein Vergleich mit der Krise 2018 zeigt, dass sich an der politischen Konstellation weiterhin nichts Wesentliches geändert hat. Es gibt also keinen glaubwürdigen Grund für die Märkte, eine wieder mehr auf Geldwertstabilität ausgerichtete Geldpolitik anzunehmen. Damit fällt auch die Prognose für die Lira negativ aus, was die exponentielle Abwertungsrate der letzten Jahre gut erklärt.
Die türkischen Sparer dürften dies als Wink mit dem Zaunpfahl betrachten und ihre Ersparnisse weiter in Gold, Immobilien und Hartwährungen tauschen.
04.04.2022 - Arndt Kümpel
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