Amazon: HALTEN - Intakte Plattformperspektiven wie Microsoft + Alphabet, anders als Meta + PayPal
Amazon: Strategische Transformation unter CEO Jassy schreitet voran
Am 03.02. legte der mit Abstand weltgrößte Online-Einzelhändler AMAZON.COM nachbörslich insgesamt unerwartet starke und vor allem auch qualitativ sehr überzeugende Geschäftszahlen zum 4. Quartal 2021 vor, die der Aktie seither bis heute zu Recht einen Kurssprung um fast 15 % bescherten. Insbesondere nährt die Ergebnisentwicklung stark den Eindruck, dass sich Amazon derzeit, gerade auch geprägt durch die Corona-Pandemie, mittlerweile in der Tat in einer sehr erfolgreich diversifizierten Transformation über das klassische Online-Handelsgeschäft hinaus befindet, so dass die von Ex-CEO Jeff Bezos im Juli 2021 erfolgte Amtsübergabe an Andy Jassy (seinerzeit CEO der Cloud-Sparte AWS) tatsächlich eine goldrichtige Neubesetzung gewesen sein dürfte, um AMAZON nun ungebrochen erfolgreich in die nächste strategische Dekade zu führen.
Zwar legte der Umsatz von AMAZON.COM (US0231351067) im 4. Quartal 2021 gegenüber dem Vorjahr mit einem Zuwachs um nur + 9,4 % so schwach zu, wie seit dem 3. Quartal 2018 nicht mehr und unterbot auch in der absoluten Größenordnung von 137,4 Mrd. USD die Analystenkonsensprognose (137,7 Mrd. USD) nun quartalsweise zum dritten Mal in Folge, wenn auch - wie schon im 2. und 3. Quartal - nur sehr geringfügig.
Die Tatsache, dass gegenüber dem boomenden 4. Quartal 2020, welches natürlich noch wesentlich mehr von den positiven Sondereinflüssen der massiven vorangegangenen Lockdown-Aufhebungen begünstigt worden war als nun das zurückliegende Schlussquartal, das Umsatz-Minus in der Kernsparte des klassischen Amazon-Online-Handels aber dennoch gerade einmal nur auf - 0,6 % begrenzt werden konnte, stufen wir jedoch als eine sehr erfreuliche Entwicklung sowie einen Beleg für die grundsätzlich auch weiterhin weltweit unverändert zugkräftige Positionierung dieser Geschäftsdomäne von Amazon ein.
Auch die nachvollziehbare Tatsache, dass der tragende Onlinehandels-Geschäftsbereich von Amazon lediglich aufgrund der noch weit stärkeren Umsatzzuwächse aller übrigen neueren und daher schon fast naturgemäß weit rasanter expandierenden Geschäftseinheiten seinen Konzernumsatzanteil im 4. Quartal nun nur noch auf konzernweit unterdurchschnittliche 48,1 % ermäßigte (Vorjahr noch 52,9 %) halten wir - auch angesichts des oben geschilderten Vorjahres-Corona-Sondereffekts - in keiner Weise für bedenklich, zeigt diese Entwicklung doch nur, wie stark alle weiteren, zunehmend breit gefächerten Aktivitäten von Amazon außerhalb dieser seinerzeitigen Onlinehandels-Pionierentwicklung von Jeff Bezos mittlerweile im Vormarsch begriffen ist.
Zukunftssparten außerhalb Onlinehandels-Kerngeschäft mit bestechendem Wachstum
So wies außerhalb des klassischen Online-Handels gerade die Cloud-Sparte AWS, auf deren künftige Fortentwicklung gerade Andy Jassy fraglos auch weiterhin besonders stark einwirken wird, im 4. Quartal den stärksten Umsatzzuwachs aller Sparten mit + 40 % gegenüber dem Vorjahr aus (= 17,8 Mrd. USD bzw. 13,0 % Konzernumsatzanteil) womit sie erfreulicher Weise auch nicht den geringsten Verlust ihres führenden Weltmarktanteils (32 %) gegenüber den schärfsten Cloud-Konkurrenten MICROSOFT (US5949181045) mit ihrer Plattform AZURE (Marktanteil: 20 %) und der aktuell mit einem Weltmarktanteil von 8 % ausgestatteten Plattform GOOGLE CLOUD (Finanzholding: ALPHABET (US02079K1079) hinnehmen musste. Denn alle 3 Marktführer bauten ihre Weltmarktanteile in 2021 letztlich im völligen Gleichschritt um jeweils 1 %-Punkt aus, hängten also gerade kleinere Konkurrenten weiter ab, wozu selbst auch die Cloudangebote von IBM (6 %) und ALIBABA (5 %) zählten.
Auf ein fulminantes Echo stieß am Aktienmarkt darüber hinaus auch der erstmalige und von Analysten wie Anlegern natürlich sehr honorierte, vollkommen transparent getrennte explizite Werbeeinnahmenausweis von Amazon im 4. Quartal, deren exzellentes Wachstum von stolzen + 32 % gegenüber dem Vorjahr auf 9,7 Mrd. USD (Konzernumsatzanteil 7,1 %) nicht nur den Werbeumsatzanstieg der zuletzt im Aktienkurs kollabierten META PLATFORMS (US30303M1027) von + 20 % deutlich überragte (siehe zu letzterer unsere jüngste Analyse), sondern damit auch dem annähernd gleich hohen Werbewachstum des 4. Quartals von GOOGLE ebenbürtig war und dabei im Gesamtjahr 2021 sogar auch deren größte Werbungs-Cash Cow YOUTUBE in der absoluten Umsatzhöhe übertraf (31,0 Mrd. USD vs. 28,8 Mrd. USD).
Darüber hinaus legten auch die Abonnements-Einnahmen von Amazon, die insbesondere ihr Sonderdienstleistungs-Angebot PRIME (teilweise Vorzugspreise für Amazon-Waren, vergünstigte Versandkonditionen sowie Prime Video-Downloads) und den Online Spiele-Streamingdienst TWITCH beinhalten, im 4. Quartal ebenfalls deutlich um + 16 % gegenüber dem Vorjahr zu und steigerten ihren Konzernumsatzanteil damit weiter auf nunmehr knapp 6 %.
Im Zuge des anhaltenden Strukturwandels durch die Corona-Krise florierte schließlich auch die Nachfrage nach Online-Store-Neueröffnungen durch Drittanbieter (Amazon Marketplace) ungebrochen und legte im 4. Quartal im Umsatz ebenso zweistellig um + 12 % gegenüber dem Vorjahr zu (damit zweitgrößte Division mit einem Konzernumsatzanteil von 22 %), während das jüngste neue Standbein von Amazon, nämlich die erstmalige Eröffnung auch von Präsenzgeschäften insbesondere für fast alle Supermarkt-Waren sowie Bücher ebenfalls einen Umsatzsprung um + 16 % gegenüber dem Vorjahr verzeichnete (Konzernumsatzanteil: 3,5 %).
Mit der hohen Qualität des nahezu flächendeckend in allen Bereichen verzeichneten prozentual zweistelligen Umsatzwachstums, woran nach Erwartungen von CEO Jassy und CFO Olsavsky mit zunehmendem Wegfall der Corona-Verwerfungen sowie angesichts ihrer zuletzt massiv ausgebauten Versandkapazitäten und -Services auch der klassische Online-Handel künftig wieder ebenfalls zunehmend Anschluss gewinnen dürfte, konnten die anschließenden Gewinnerzielungen des Konzerns im 4. Quartal allerdings nicht vollständig Schritt halten.
Gewinnentwicklung durch Corona-Sonderbelastungen nur temporär gedämpft
So halbierte sich der operative EBIT-Betriebsgewinn im 4. Quartal annähernd auf nur noch rd. 3,5 Mrd. USD, was jedoch einzig und allein (genau im Umfang wie von Amazon zuvor auch angekündigt) Corona-bedingten operativen Zusatzausgaben und Kosten von mehr als 4 Mrd. USD zuzuschreiben war (vor allem höhere Mitarbeitergehälter plus Neueinstellungsausgaben, da allein im 4. Quartal die Belegschaft um über 14.000 aufgestockt wurde; zusätzlich weitere Ausgaben für konzerninterne Corona-Schutzprogramme sowie in Form erhöhter Logistikkosten aufgrund anhaltender Lieferkettenstörungen wie auch des steigenden Inflationsdrucks). Die Analysten hatten dagegen im Konsens sogar nur mit einer operativen EBIT-Gewinnerzielung von 2,6 Mrd. USD gerechnet.
Wären diese Zusatzkostenbelastung nicht gegeben gewesen, hätte sich also ebenfalls ein überschlägig kalkulierter operativer EBIT-Anstieg gegenüber dem Vorjahr um ca. + 9 % eingestellt, so dass Amazon zumindest aus dem regulären operativen Kerngeschäft offenbar im 4. Quartal keinen weiteren Margendruck gegenüber dem Vorjahr verzeichnete.
Der Vorstand ist daher ebenfalls sehr zuversichtlich, dass mit einem zunehmend gesehenen Wegfall vor allem nun der Corona-bedingt erhöhten Personalkosten des 4. Quartals, wie aber auch einer erwarteten Entschärfung der Lieferketten- und Inflationsproblematik ab dem 2. Halbjahr sich die operative Margen- und Gewinnlage des Konzerns bereits schon ab dem laufenden Quartal wieder deutlich aufhellen dürfte.
Entsprechend kündigt nun der Vorstand für das 1. Quartal eine weiterhin in einer sehr breiten Spanne liegende operative Gewinnerzielung von voraussichtlich 3 – 6 Mrd. USD an, was damit jedoch einen breiten Spielraum offenlässt, dass der EBIT-Gewinn des 4. Quartals nun im laufenden Quartal per Ende März 2022 deutlich übertroffen werden könnte. Wir halten diese zuversichtliche operative EBIT-Prognose für umso glaubhafter, als dieser gleichzeitig nur eine relativ zurückhaltende Umsatzprognose von ca. 112 – 117 Mrd. USD zugrunde liegt, was gegenüber dem 1. Quartal 2021 lediglich eine Wachstumsrate zwischen + 3 bis + 8 % bedeuten würde.
Vor wie auch netto nach Steuern trat schließlich im 4. Quartal jeweils fast eine Verdopplung des Konzerngewinns auf 14,9 bzw. 14,3 Mrd. USD ein, die allerdings vor Steuern einen außerordentlichen Gewinnbeitrag über 11,8 Mrd. USD aus dem im November 2021 vollzogenen NASDAQ-Börsengang ihrer nunmehr noch 17,7 % betragenden Beteiligung am Elektrofahrzeughersteller RIVIAN (US76954A1034) enthielt.
Rechnet man diese 11,8 Mrd. USD vor Steuern aus dem gesamten Vorsteuer-Gewinn von 14,9 Mrd. USD heraus, ist Amazon aus dem laufenden Geschäft im 4. Quartal also noch faktisch ein Vorsteuer-Gewinn von 3,1 Mrd. USD verblieben, was infolge der o.g. immensen Corona-Zusatzausgaben-Belastung zwar ebenfalls einen Einbruch um rd. - 60 % gegenüber dem Vorjahr darstellte, jedoch damit den Analystenkonsens von nur 2,6 Mrd. USD ebenfalls überstieg.
Für die Nettogewinnerzielung im 4. Quartal lässt sich allerdings nun keinerlei exakter Vorteilhaftigkeitsvergleich anstellen, da Amazon den Nachsteuer-Gewinneinfluss des Rivian-IPOs in keiner Weise präzisierte (sondern lediglich den Effekt auf den Gewinn vor Steuern).
Anhebung der PRIME-Gebühren strategisch exzellent, mögliche PELOTON-Übernahme dagegen nicht
Im Anschluss an diese insgesamt hoch erfreuliche Zahlenbekanntgabe von Amazon zum 4. Quartal, die sich von der Umsatz- bis zur Vorsteuer-Gewinnbekanntgabe durchzog, erfolgten außerdem nun noch zwei strategisch weitere sehr interessante Mitteilungen zu dem Konzern, und zwar zum einen, dass Amazon die Abonnements-Gebühren für die PRIME-Nutzung in den USA ab 18. Februar für Neu- sowie ab März für Bestandskunden nun von 12,99 auf 14,99 USD monatlich sowie von 119 USD auf 139 USD jährlich erhöhen will, zum anderen, dass nach – bisher allerdings unbestätigten – Medienberichten sowohl AMAZON wie auch NIKE (US6541061031) derzeit angeblich eine mögliche Übernahme des weltführenden, mit Abbau der Corona-Lockdowns jedoch in seinem Aktienkurs um fast 60 % abgestürzten Anbieters von Hometraining-Fahrrädern und -Laufbändern sowie zugehöriger interaktiver Online-Trainingskonzepte, PELOTON INTERACTIVE (US70614W1009), sondieren.
Während wir erstgenannten Schritt der Prime-Gebührenerhöhung von Amazon, die damit auch die erste seit immerhin 2018 ist, nach dem untrüglichen Akzeptanzbeleg des 4. Quartals für sehr angezeigt und strategisch sinnvoll halten, da sie unseres Erachtens in den USA nun problemlos ohne größere Abo-Kündigungen durchsetzbar sein sollte und auch in anderen Ländern nach unserer Erwartung die Prime-Gebühren nun ebenfalls schnell erhöht werden dürften (z.B. Preisgefälle zu Deutschland: dortiges Prime-Monatsabo aktuell 7,99 EUR / Jahresabo 69 EUR), würden wir eine Übernahme von PELOTON INTERACTIVE durch AMAZON deutlich kritischer bewerten.
Denn zum einen würde eine nochmals gezieltere Ergänzung ihres schon bereits jetzt sehr reichhaltigen Fitnessgeräte-Sortiments unseres Erachtens für AMAZON bei weitem keine derart unverzichtbare und wohl auch ertragreiche strategische Erweiterung ihres Angebots darstellen, wie dies für die ausschließlich auf Sportmoden- und -Ausrüstungen NIKE gelten würde (und für die PELOTON unseres Erachtens damit eine weitaus wertvollere, um nicht zu sagen fast ideale Ergänzung darstellen würde, anders als für Amazon oder den ebenfalls zuletzt im Gespräch befindlichen Peloton-Übernahmekandidaten APPLE (US0378331005) / Anknüpfungspunkt Puls- und Blutdruck-Messuhren von Apple).
Zum anderen dürfte sich gemäß jeglichem Analystenkonsens Peloton Interactive noch mindestens bis 2024 weiterhin stabil in der Nettoverlustzone befinden (was durch weitere Corona-Lockdown-Aufhebungen und Wiedereröffnungen von Fitnessstudios auch nicht gerade entschärft werden dürfte), so dass wir hinreichend schnelle und nachhaltige Profitabilitätssteigerungen auch einzig und allein nur bei Übernahme durch einen Konzern erwarten, der derzeit in seinem gesamten Tätigkeitsspektrum über stichhaltigste Cross Selling-Potenziale zu PELOTON INTERACTIVE verfügt. Und auch unter diesem Profitabilitätsgedanken sehen wir daher weit bessere und sinnvollere Übernahmevoraussetzungen durch NIKE als durch AMAZON gegeben, weshalb wir einer Übernahme des Konzerns, dessen Aktie aufgrund dieser Gerüchte heute auch zudem um + 20 % hochsprang, durch Amazon in jedem Fall ablehnend gegenüberstehen würden.
FAZIT: Vielversprechende Transformationsmaßnahmen, Aktie zumindest gut haltenswert
Als FAZIT bleibt somit zusammenfassend festzuhalten, dass sich Amazon aus unserer Sicht auf bestem und durch CEO Jassy fraglos weiter konsequent ausgebautem Weg befindet, ihr Stammgeschäft des Online-Handels (dessen Profitabilität nach Wegfall der Corona-Sonderausgabenbelastungen bei grundsätzlich stabiler Kundennachfrage zudem sicher künftig wieder steigen dürfte), durch ihre derzeit allesamt sehr lukrativen Ergänzungssparten (AWS, Marketplace, Abogeschäft, Werbeumsätze, Präsenzgeschäfte) zielgerichtet und auch in den nächsten Jahren weiter hoch profitabel abzurunden.
In diesem Punkt sehen wir AMAZON daher grundsätzlich als auf einem Niveau befindlich mit den ebenfalls konzeptionell sehr durchdachten operativen Diversifikationskonzepten auch einer MICROSOFT oder ALPHABET an, die sich derzeit nach unserem Eindruck ebenso schlüssig den strategischen Herausforderungen kommenden Dekade(n) zuwenden.
Eine derartige visionäre und auch strategisch nachvollziehbare, noch auf Jahre hinaus tragfähige Konsequenz vermissen wir derzeit hingegen bei META PLATFORMS wie auch nicht weniger bei PAYPAL (US70450Y1038) völlig (siehe unsere letzte Analyse; z.B. vielleicht eines Tages eine ideale, vertikal integrierende und Geschäftsrisiken senkende Fusion mit ihrem bereits bestehenden Kooperationspartner FISERV (US3377381088) ?), so dass sich hier im Segment der (auch künftig) fraglos weltführenden und lukrativsten Plattform-Betreiber nun offenbar endlich der Weizen wegweisend von der Spreu zu trennen beginnt.
Wir stufen die derzeit mit einem KGV (2024e) von rd. 28 bewertete Amazon-Aktie daher derzeit in jedem Fall als eine perspektivisch interessante Investitionsgelegenheit ein, raten im momentan weiterhin fragilen Technologieaktien-Umfeld von einem akuten Kauf unter rein charttechnischen Timing-Gesichtspunkten jedoch zumindest noch solange ab, bis sich nicht eine unmittelbar bevorstehende Überwindung der elementaren Widerstandszone von 3600 – 3750 USD noch klarer herauskristallisiert hat. Mit einer derartigen weiteren entscheidenden Klärung der charttechnischen Lage rechnen wir jedoch nun zumindest bei Vorlage des Ergebnisses zum 1. Quartal 2022 in der letzten April-Woche.
Chart: AMAZON (in US-Dollar)
08.02.2022 - Matthias Reiner
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