Bayer schlägt sich weiterhin mit Rechtsstreitigkeiten herum und sendet in dieser Hinsicht unterschiedliche Signale an die Aktionäre
Gute und schlechte Neuigkeiten
Zumindest zu Teilen wird die Zukunft von Bayer vor Gericht entschieden. In der EU konnte der Konzern sich kürzlich zwar noch über eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat freuen. Die Reibereien rund um das Mittel enden deshalb aber freilich nicht. In den USA musste nun eine weitere herbe Schlappe weggesteckt werden.
Dort hat ein Geschworenengericht in einem Glyphosatprozess im Sinne der Kläger entschieden und Bayer (DE000BAY0017) zur Zahlung von über 1,5 Milliarden US-Dollar an Schadenersatz verdonnert. Hintergrund sind drei Kläger, welche Krebserkrankungen auf die Verwendung des Unkrautvernichters Roundup zurückführen. Jedem von ihnen wurden jeweils 61,1 Millionen Dollar Schadenersatz sowie 500 Millionen Dollar an Strafschadenersatz zugesprochen.
Nun wird Bayer diese gigantische Summe aller Wahrscheinlichkeit nicht zahlen müssen, denn in der Regel werden astronomische Strafzahlungen der Geschworenengerichte in den USA später von einem Richter kassiert und mindestens deutlich nach unten korrigiert. Zudem kündigte Bayer bereits Widerstand gegen das Urteil an, welches man selbst nicht nachvollziehen kann. Das letzte Wort in der Sache ist also noch nicht gesprochen. Dennoch ist es erst einmal eine Pleite für die Leverkusener und für die Anleger eine Erinnerung daran, dass Klagen rund um Glyphosat noch lange nicht der Vergangenheit angehören.
Bayer: Erfolg bei Talkumpuder
Abseits von Glyphosat konnte Bayer zuletzt aber auch einen Erfolg für sich verbuchen. Das Unternehmen muss keine Haftungsrisiken für etwaige durch Talkumpuder entstandene Schäden übernehmen. Dies wollte Merck & Co. eigentlich durchsetzen, nachdem Bayer im Jahr 2014 das Konsumgütergeschäft des US-Arzneikonzerns übernahm. Ein Richter erteilte dem nun aber eine Absage, wie bei „Der Aktionär“ zu lesen ist.
Auch anderen Herstellern wird vorgeworfen, in der Vergangenheit krebserregende Zusatzstoffe bei Talkumpuder verwendet zu haben. In heutigen Produkten ist das kein Thema mehr. Doch die Streitigkeiten über Vorkommnisse aus der Vergangenheit dürften die Gerichte noch viele Jahre lang beschäftigen. Dass Bayer zumindest bei diesem Thema nun fein raus ist, dürfte für die Anleger ein Grund zum Aufatmen sein, auch wenn dem Ganzen nie auch nur annähernd so viel Aufmerksamkeit zuteilwurde wie den Streitereien um Glyphosat.
Letztlich ändern juristische Erfolge und Misserfolge auch nichts daran, dass Bayer operativ auf eher wackeligen Beinen steht. Der Konzern bekommt steigende Kosten und gleichzeitig in wichtigen Bereichen eine sinkende Nachfrage zu spüren, auch bei Glyphosat. Bisher fehlt es an Signalen dafür, wie der Weg zurück um Wachstumskurs gefunden werden soll. Die Schwäche beim Aktienkurs ist daher nicht nur auf Sorgen um juristische Auseinandersetzungen zurückzuführen.
Bayer auf dem Boden der Tatsachen
In der vergangenen Woche gelang es der Bayer-Aktie immerhin, die 40-Euro-Marke zu verteidigen und damit ein Abrutschen auf ein frisches 52-Wochen-Tief zu verhindern. Zum Wochenende standen ganze 41,45 Euro auf dem Ticker. Das ist für die Aktionäre aber nur ein denkbar schwacher Trost, denn noch immer sind auf Jahressicht Abschläge von knapp 24 Prozent zu verkraften. Dass die Bayer-Aktie zurück zu alter Stärke finden wird, das ist zumindest im Moment leider nicht absehbar.
Allenfalls langfristig wäre ein Turnaround denkbar. Bis dahin gibt es aber viele Probleme zu bewältigen und Fragen zu beantworten. An und für sich ist das Geschäft von Bayer weitgehend krisensicher und auch in Zukunft wird der Konzern zweifellos gutes Geld verdienen. Damit der Aktienkurs wieder Höhenluft schnuppern kann, braucht es aber Wachstumsimpulse und weniger Unsicherheit im Chart. Letztere wird aber kaum verschwinden, solange Glyphosat die Gerichte beschäftigt, und das dürfte sehr wahrscheinlich noch eine ganze Weile lang der Fall bleiben. Der Verbleib auf der Seitenlinie ist daher weiterhin ganz und gar nicht verwerflich.
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20.11.2023 - Andreas Göttling-Daxenbichler
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