Massive Gaspreisdifferenz – Gazprom im Spotlight
Der Gaspreis spiegelt eine komplexe Gemengelage wider
Der europäische Gaspreis ist in den letzten Wochen explodiert, hat sich seit Anfang Oktober wieder zurückgebildet. Mit seinem Sprung über einen wichtigen Widerstand könnte sich der Rückgang seit dem 06.10.2021 als Konsolidierung und damit als Vorzeichen für einen noch größeren Preissprung herausstellen. Die Entscheidung sollte nicht lange auf sich warten lassen, da ansonsten aus charttechnischer Perspektive mit einem deutlichen Rückgang zu rechnen ist. Die Wahrscheinlichkeiten dieser Alternativen sind äußerst instabil, die Verhandlungsmacht der Marktteilnehmer ungleich verteilt. Eine langfristige Lösung sieht anders aus.
Die Lage auf dem europäischen Energiemarkt spitzt sich zu. Denn das Timing für eine Außenpolitik aus einer Position der Schwäche, wie sie die EU gegenüber Russland derzeit hat, führt zu verschiedenen komplexen Rückkopplungseffekten, welche ein Netz an ,,Collateral Damage‘‘ nach sich ziehen können.
Dabei ist der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und die Androhung von massiven wirtschaftlichen Sanktionen des Westens gegenüber Russland im Falle eines Angriffs nur ein Mosaikstein der geopolitischen Gesamtsituation.
Die politisch derzeit nicht gewollte Inbetriebnahme der Erdgaspipeline Nord Stream 2 des russischen Gaskonzerns Gazprom (US3682872078) gehört dazu zu den Figuren im großen politischen Schachspiel. Die niedrigeren Gaslieferungen Russlands liefern dabei einen Vorgeschmack darauf, was bei einer Eskalation des Konfliktes für den europäischen Gasmarkt droht. Dabei besitzt aber nicht nur Russland, sondern auch andere Durchleitungsstaaten wie Belarus Verhandlungsmacht.
Die russischen Gaslieferungen Russlands lagen in den vergangenen Tagen weiter auf einem verringerten Niveau, der Gaseingang am deutschen Knotenpunkt Mallnow steht seit einigen Tagen bei rund 250 GWh pro Tag, was weniger als einem Drittel der möglichen Auslastung entspricht. Und der belarussische Präsident Lukaschenko drohte schon einmal damit, wegen der EU-Sanktionen die Gaslieferungen in die EU zu blockieren.
Parallel dazu leeren sich die Gaslager in der EU. Derzeit liegt der Füllstand der Gasspeicher in Europa bei nur noch 62,4 %, angemessen wäre ein Stand von 80 %.
Der politisch sensible Erdgaspreis preist das Konfliktpotenzial und die sich verstärkende Gasknappheit in Europa bereits seit Monaten ein, wie ein Blick auf die Entwicklung des Future-Preises für europäisches Erdgas zeigt. Die Entwicklung entspricht dabei einem Preis-Schock.
Chart 2 zeigt die Entwicklung desselben Future-Kontraktes auf Tagescandle-Basis. Dabei fällt auf, dass der Futurekontrakt eine hohe Symmetrie aufweist (s. gestrichelte vertikale Symmetrieachse), die auf einen ,,decision point‘‘ zuläuft. Diese Entscheidung ist in dieser Woche oder Anfang nächster Woche zu erwarten.
Diese Entscheidung ist jene zwischen einem Doppeltop und einer kurzfristigen Trendumkehr nach unten mit fallenden Futurepreisen und einem Ausbruch nach oben. Sollte der Erdgaspreis sein Allzeithoch vom 06.10.2021 bei 162,13 Euro je MWh überspringen, könnte es an den Erdgasmärkten turbulent werden!
Wie stark der europäische Gaspreis inzwischen relativ gestiegen ist, zeigt ein Vergleich mit einem ähnlichen Future-Kontrakt an der NYMEX (in US-Dollar).
Die explodierende Preisdifferenz schafft dabei massive Anreize zur Preis-Arbitrage, wobei dies zeitlich in eine Phase der Disruption von Transportkapazitäten fällt.
Und was ist das Fazit?
Der europäische Gaspreis ist zum Politikum der High Politics geworden. Damit sind vielfältige Kollateralschäden in der Energieverbraucher-Kette wahrscheinlich, die weit über die Preiseffekte und sinkende Mengen hinausgehen. Die Komplexität dieser Situation übersteigt bereits jetzt das Niveau einer plausiblen Planbarkeit bei Weitem. Sollte es zu einer kurzfristigen Entspannung bei den Gaslieferungen aus Russland kommen, könnte der europäische Gaspreis in den kommenden Tagen auch aus charttechnischer Perspektive deutlich sinken.
Allerdings erscheint die Möglichkeit eines weiteren Anstiegs beachtlich. Sollte der europäische Gaspreis die Marke von 162,13 Euro je MWh überspringen, könnte zusätzliches charttechnisches Momentum den Gaspreis auf ein Niveau heben, welches einem echten Preisschock gleichkäme. Dann käme es für die derzeitige Politik zu einem Rendezvous mit der Realität, bei dem die Karten mehr als ungleich verteilt sind.
14.12.2021 - Arndt Kümpel
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14.12.2021 15:28:22 Uhr
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