Ohne große Vorwarnung eskaliert ein schon lange brodelnder Streit und nun entzieht ARM Qualcomm die Architekturlizenz
Jetzt müssen die Gerichte über das Gezanke von ARM und Qualcomm entscheiden
Mit viel Tamtam und großen Versprechungen präsentierte Qualcomm erst kürzlich auf seinem hauseigenen Snapdragon Summit frische Prozessoren, darunter Snapdragon 8 Elite und Snapdragon Cockpit Elite. Das Unternehmen stellt große Fortschritte in Aussicht und will im PC-Bereich sogar Intel hinter sich lassen können. Die Chips setzen allesamt auf eine Architektur von ARM, doch dort scheint man mit dem Vorgehen von Qualcomm überhaupt nicht glücklich zu sein.
Wie gestern bekannt wurde, wurde Qualcomm (US7475251036) durch ARM (US0420682058) nun sogar die Architekturlizenz mit einer vorgeschriebenen Vorlaufzeit von 60 Tagen entzogen. Dadurch bedingt ist es Qualcomm auf dem Papier nicht länger gestattet, eigene Designs auf Basis der ARM-Architektur herzustellen. Betroffen wären davon also genau die Chips, welche das Unternehmen dieser Tage vorstellt und unter anderem bei Notebooks als die Zukunft darzustellen versucht. Unabhängige Beobachter bescheinigen dem Unternehmen tatsächlich große Fortschritte in vielen Bereichen.
Als Außenstehender möchte man meinen, dass ARM darüber eigentlich glücklich sein könnte. Doch die Reibereien mit Qualcomm haben eine Vorgeschichte. Bereits vor zwei Jahren wurde Klage eingelegt, als sich Qualcomm das von ehemaligen Apple-Mitarbeitern gegründete Nuvia einverleibte. Damit verbunden war auch eine Architekturlizenz, die nach Ansicht von ARM aber ihre Gültigkeit verloren hat. Das Unternehmen besteht darauf, dass eine neue Lizenz verhandelt werden muss. Ein entsprechendes Gerichtsverfahren soll im Dezember in die finale Verhandlungsrunde gehen.
Qualcomm lässt sich nicht einschüchtern
In einer ersten Stellungnahme zeigt sich Qualcomm von dem Schritt unbeeindruckt. ARM werden „mehr unbegründete Drohungen“ vorgeworfen, die einzig und allein zu höheren Lizenzzahlungen führen sollen. Die Vorwürfe gegenüber dem eigenen Unternehmen werden als haltlos bezeichnet und mit einem Einlenken ist daher wohl nicht zu rechnen. Beide Konzerne lassen es auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen. Bis dahin dürfte nur wenig Bewegung in die Sache kommen.
Unberührt von den neuerlichen Reibereien bleibt eine Vereinbarung, laut der Qualcomm von ARM selbst hergestellte Cortex-Kerne verwenden darf. Es ist also nicht so, als würde plötzlich das gesamte Geschäft des Konzerns vor dem Nichts stehen. Allerdings können diese Kerne mit X86-Prozessoren von AMD und Intel schlicht nicht mithalten. Dies ist nur mit eigenen Designs gelungen, für die es aber der nun entzogenen Architekturlizenz bedarf. Es steht also vor allem über der Zukunft dieser schnellen und besonders energieeffizienten Chips nun erst einmal ein Fragezeichen.
Die Aktionäre ließen sich dadurch noch nicht in Panik versetzen, schließlich ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Die Qualcomm-Aktie reagierte bislang kaum, konnte im nachbörslichen Handel sogar noch ganz leicht zulegen. Trotz einer Korrektur in den Sommermonaten befindet das Papier sich in einem Aufwärtstrend, welcher den Kurs auf Jahressicht um knapp 60 Prozent anheben konnte.
Wie im Kindergarten
ARM konnte von den Erfolgen der Partner sogar noch mehr profitieren und den eigenen Aktienkurs im Jahresvergleich um mehr als 200 Prozent in die Höhe schrauben. Das Unternehmen hat dennoch große Probleme damit, wie die ursprünglich von Nuvia erstellten Designs zweckentfremdet werden. So wird etwa damit argumentiert, dass die vergebene Lizenz sich nur auf Server-Prozessoren bezog. Dass Qualcomm damit nun Designs für Notebooks entwickelt hat, wird als klarer Verstoß bezeichnet.
Beide Parteien bekleckern sich mit ihrem Verhalten wohl nicht unbedingt mit Ruhm. Es wird mit harten Bandagen in erster Linie darum gekämpft, wie hoch Lizenzzahlungen an ARM letztlich ausfallen dürfen und sollten. Im für ARM günstigsten Fall werden die Gerichte beschließen, dass neue Verhandlungen nötig sind. Umgekehrt würde Qualcomm im Erfolgsfall die durch die Übernahme von Nuvia erworbene Architekturlizenz unverändert beibehalten. Eine Tendenz zeichnet sich aktuell nicht ab. In den vergangenen zwei Jahren sickerte nur wenig über die laufenden Rechtsstreitigkeiten an die Öffentlichkeit.
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23.10.2024 - Andreas Göttling-Daxenbichler
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