Sinkende Ticketpreise erfreuen Reisende, führen bei Ryanair aber zu einem empfindlichen Gewinneinbruch
Anleger verabschieden sich von Anteilen an Ryanair
Es wirkt im ersten Moment paradox. Die Nachfrage im Reisesegment hat sich nach der Corona-Pandemie stetig gesteigert und mittlerweile weitgehend normalisiert. Stellenweise werden für das Sommergeschäft sogar schon neue Rekorde vorhergesagt. Dennoch scheint die Branche auf eine mittelschwere Krise zuzusteuern.
Neue Warnsignale lieferte jüngst Ryanair (IE00BYTBXV33) mit seinen jüngsten Zahlen ab. Konzernchef Michael O’Leary sprach zwar von einer erneut starken Nachfrage im zweiten Quartal. Dennoch sind die Gewinne um 46 Prozent bis auf nur noch 360 Millionen Euro eingebrochen. Verantwortlich dafür sind Urlauber, die wieder sehr viel deutlicher auf den Preis achten. Zwar lässt sich noch immer von einem Reiseboom sprechen, was hierzulande auch teils vollkommen überfüllte Ostseestrände kurz nach Ferienbeginn zeigten.
Doch die Verbraucher achten wieder sehr darauf, die günstigsten Preise für Anreise und Unterbringung zu finden. Bei Ryanair fielen die Ticketpreise im vergangenen Quartal im Schnitt um etwa 15 Prozent und der Konzern rechnet damit, dass sich dieser Trend auch im wichtigen Sommergeschäft fortsetzen dürfte. Die hohe Inflation der letzten Jahre scheint hier ihren Tribut zu fordern und nach Reallohnverlusten in nicht wenigen Branchen wird offenbar auch beim Urlaub mancher Cent zweimal umgedreht.
Ryanair beißt auf Granit
Gleichzeitig steigen die Kosten für Ryanair tendenziell weiter an, was die Margen unter Druck setzt. Nach eigenem Bekunden hat die Billig-Airline sich durchaus daran versucht, höhere Tickerpreise durchzusetzen. Sie scheiterte aber offenbar am Widerstand der Kunden, die heute leichter denn je Preise vergleichen und sich im Zweifel für einen Konkurrenten entscheiden können.
Während Reisende diese Entwicklungen sehr begrüßen dürften, bricht an der Börse immer mehr Panik aus. Analysten warnen bereits davor, dass die Konsensschätzungen im Segment demnächst reihenweise in die Tiefe rauschen könnten. Ryanair selbst lässt sich noch zu keiner Prognose hinreißen, wann die Ticketpreise wieder zulegen könnte. Der Konzern steuert also recht zuverlässig auf bescheidene Zeiten zu und die Anleger reagieren darauf mit deutlichen Kursverlusten.
Die Ryanair-Aktie purzelte am Montag um knapp 15 Prozent bis auf 14,15 Euro in die Tiefe und erreichte damit den niedrigsten Schlusskurs im laufenden Jahr. Die recht ansehnliche Rallye vom Jahresbeginn hat sich folgerichtig vollständig in Luft aufgelöst und die Aussicht auf eine neuerliche Erholung scheint momentan vollständig zu fehlen. Auch die größte Nachfrage hilft nicht viel, wenn sich dies nicht bei den Gewinnen niederschlägt.
Es dürfte also im Segment bei schwierigen Zeiten bleiben, auch wenn allerorten von einem steilen Anstieg der Nachfrage gesprochen wird. Erst kürzlich prognostizierte etwa der Flugzeugbauer Boeing, dass sich die weltweit eingesetzten Fracht- und Passagiermaschinen innerhalb der nächsten 20 Jahre verdoppeln dürften. An den Märkten fragen die Anleger sich derzeit aber, ob mit all den hübschen neuen Flugzeugen auch tatsächlich Geld verdient werden kann.
Ryanair im Abwärtsstrudel?
Dass es sich um kein exklusives Problem von Ryanair handelt, verdeutlichen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Dort ist die Rede davon, dass sich Ticketpreise für internationale Flugreisen im ersten Halbjahr um durchschnittlich 3,1 Prozent verringert hätten. Besonders betroffen sind offenbar Flüge in Richtung Asien, Australien und Mittelamerika, wo es mit den Preisen zum Teil im zweistelligen Prozentbereich abwärts ging.
Eine Trendwende ist momentan nicht in Sicht und so steuert Ryanair erst einmal auf magere Zeiten zu, was bei der Aktie natürlich Spuren hinterlassen wird. An eine spontane Erholung ist derzeit nicht zu denken. Stattdessen stellt sich eher die Frage, ob die Korrektur bereits ihren Tiefpunkt erreicht hat oder noch weitere Abwertungen drohen könnten. Da die Berichtssaison gerade erst begonnen hat und noch manch anderer Konzern aus der Branche potenziell für Enttäuschungen sorgen könnte, ist es sicher nicht verkehrt, sich für den Moment auf unerfreuliche Neuigkeiten einzustellen.
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23.07.2024 - Andreas Göttling-Daxenbichler
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