Amazon enttäuscht auf ganzer Linie und der Aktienkurs geht baden
Die Krise schlägt unbarmherzig zu
Wer sich noch Hoffnung darauf machte, dass Amazon unbeschadet durch die Krise kommen könnte, erlebte spätestens gestern ein böses Erwachen. Nach Zahlen des Online-Händlers ist klar, dass der den wirtschaftlichen Abschwung schwer zu spüren bekommt. In so ziemlich jeder erdenklichen Hinsicht kam es zu Enttäuschungen und die Reaktion an der Börse ließ freilich nicht lange auf sich warten.
Bereits während des regulären Handels am Donnerstag gab die Amazon-Aktie an der Heimatbörse in den USA um gut vier Prozent nach. Nach den Quartalszahlen ging es nachbörslich dann um weitere 12,7 Prozent in die Tiefe. Einen derartigen Absturz gab es bei dem einstigen Liebling der Anleger nur ausgesprochen selten zu sehen. Allein daran ist schon zu erkennen, wie vernichtend die jüngsten Ergebnisse ausgefallen sind.
Am wenigsten enttäuschte Amazon (US0231351067) wahrscheinlich noch bei den Umsätzen, welche um 15 Prozent auf 127,1 Milliarden USD gesteigert werden konnten. Das lag zwar dezent unter den Erwartungen der Analysten, lässt sich aber mit etwas Wohlwollen noch als ordentlich bezeichnen. Zudem konnte das Kerngeschäft mit dem Online-Handel wieder zulegen und damit seinen Status als Sorgenkind des Konzerns etwas abmildern.
Überhaupt nicht erfreut waren die Anleger aber darüber, dass der Nettogewinn bei Amazon um rund neun Prozent in die Tiefe rauschte. 2,9 Milliarden USD verbuchte Amazon im vergangenen Quartal und damit weit weniger, als die meisten zuvor erwartet hatten. Noch dazu gibt es einen eher nüchternen Ausblick auf das wichtige vierte Quartal mitsamt dem Weihnachtsgeschäft. Das Wachstum wird sich hier wohl weiter etwas abbremsen, vorhergesagt werden Umsätze zwischen 140 und 148 Milliarden USD. Analysten spekulierten zuvor auf eine Prognose im Bereich von 155 Milliarden USD.
Die Cloud enttäuscht bei Amazon
Neben den nackten Zahlen setzten Amazon auch einige weitere Entwicklungen zu, und dazu zählte ausgerechnet das wichtige Cloud-Geschäft. Im zweiten Quartal konnte das den Konzern noch vor einem Milliardenverlust retten und auch jetzt noch ist die Bedeutung der Umsätze und Gewinne kaum zu unterschätzen. Umso enttäuschter sind die Anteilseigner aber darüber, dass das Wachstum mit den AWS-Services sich spürbar abgeschwächt hat. Mit den Umsätzen ging es „nur“ noch um 27 Prozent in die Höhe. Im vorherigen Quartal konnte noch ein Wachstum von 33 Prozent verzeichnet werden.
Das ist ein bisschen Meckern auf hohem Niveau, doch Amazon hat mit dem rasanten Wachstum der letzten Jahre die Messlatte auch einfach verdammt hochgelegt. Jetzt kommt für viele die unangenehme Einsicht, dass es in Zukunft wohl etwas langsamer aufwärts gehen wird. Ob die harschen Reaktionen an den Märkten verhältnismäßig sind, darüber lässt sich sicherlich streiten. Mit den Kursen von Amazon ging es erstmals seit März wieder unter die Marke von 100 USD.
Krisen, soweit das Auge reicht
Für den Moment konzentrieren die Anleger sich voll und ganz auf die vielen Krisen unserer Zeit, welche auch Amazon schwer zusetzen. Das dürften sie auch noch eine Weile länger tun und speziell 2023 könnte aus Anlegersicht eher haarig werden. Im Zuge dessen verabschieden sich viele schon vorzeitig und die weiteren Aussichten scheinen mehr als düster zu sein.
Doch bekanntlich wohnt jeder Krise auch eine Chance inne. Auch wenn der Abschwung bei Amazon erst einmal wenig hübsch anzusehen ist und sich kurzfristig kaum eine Aussicht auf Besserung ergibt, so handelt es sich nach wie vor um einen gigantischen Konzern, der recht zuverlässig Milliardengewinne einfährt. Die Erwartungen der Aktionäre müssen sicher etwas heruntergeschraubt werden. Am generellen Wachstumskurs von Amazon gibt es bisher aber noch keine allzu großen Zweifel und damit einher geht eine nicht eben geringe Wahrscheinlichkeit, dass die Aktie sich irgendwann in Zukunft wieder von den Rückschlägen im laufenden Jahr erholen wird. Das sollten Anleger zumindest im Auge behalten.
28.10.2022 - Andreas Göttling-Daxenbichler
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