AIRBUS vs. BOEING - Europe First!
Das Börsenduell
Nach beeindruckenden Auslieferungs- und Ergebnisrekorden befindet sich die Aktie des multinationalen europäischen Flugzeugbauers AIRBUS (NL0000235190) seit 3 Monaten nach subventionsbedingten Strafzollandrohungen der USA in einem bisher rund 9 %-igen Sinkflug. Da diese angesichts entsprechender Rückendeckung durch die Welthandelsorganisation WTO ab dem 18.10. nun auch praktische Umsetzung finden, analysieren wir hier die kurz- wie längerfristigen Folgen der Zollbelastung für Airbus und geben in unserer Rubrik „Börsenduell“ eine Handlungsempfehlung ab, ob möglicherweise nun die Zeit gekommen ist, in die seit 3 Monaten deutlich kursstabilere Aktie des US-Hauptkonkurrenten BOEING (US0970231058) umzusteigen.
Chart: Aktie AIRBUS im Vergleich zu BOEING
Gesamtwirtschaftliche Strafzollauswirkungen nach dem Airbus-Subventionsurteil
Bevor wir die Aktien AIRBUS und BOEING vergleichend analysieren, erscheint es uns jedoch unabdingbar, eingangs nun erst einmal das ab Oktober in Kraft tretende Strafzollpaket der USA aufgrund der milliardenschweren unzulässigen Subventionen von Airbus, vor allem durch die Hauptproduktionsländer Frankreich, Deutschland und Spanien, unter die Lupe zu nehmen. Denn die künftigen Strafzollmaßnahmen der USA gegen Europa, die seit 2018 z. B. auch schon für europäische Stahl- und Aluminiumimporte in Kraft sind, zielen vor allem auf die am Airbus-Geschäft beteiligten Länder, d. h. neben Frankreich, Deutschland und Spanien auch die Niederlande und Großbritannien ab. Das ausmachende Volumen dieser Strafzollerhebungen auf europäische Waren ab dem 18.10. schöpft exakt den von der WTO handelsrechtlich genehmigten Rahmen von 7,5 Mrd. USD aus und bezieht mit Fokus auf o. g. „Airbus-EU-Staaten“ neben Flugzeugimporten (dies wird im Zusammenhang mit Airbus noch beleuchtet) vor allem diverse Nahrungsmittel (z. B. Wein, Orangensaft, Kaffee, Olivenöl, Käse, Mehl) und Modeartikel mit ein.
Die EU-Kommission hat ihrerseits jedoch bereits angekündigt, nachdem sie im seit über 15 Jahren schwelenden Flugzeugbauerstreit zwischen USA und der EU zuletzt auch Klage bei der WTO wegen ebenso unrechtmäßiger US-Subventionszahlungen an Boeing eingereicht hat, dass sie auf der gleichen Argumentationsbasis mit dem Aufhänger „Boeing“ nun künftig ebenfalls Importzölle auf US-Waren erheben wird, und zwar auf sehr ähnlichen Produktebenen, d. h. neben Whiskey, Erdnussbutter und Ketchup auch auf Spielekonsolen und wiederum Flugzeugteile.
Mit der Bekanntgabe des endgültigen zulässigen EU-Strafzollrahmens gegen die USA ist seitens der WTO jedoch erst Anfang 2020 zu rechnen, da die EU die entsprechende Klage gegen Boeing-Subventionen erst im März 2019 eingereicht hatte, also 10 Monate nach der Klagerhebung der USA gegen Airbus bzw. die EU.
Die EU-Kommission hat allerdings bereits in Aussicht gestellt, dass ihr kompensierendes Strafzollpaket vermutlich mehr als 4 Mrd. USD ausmachen dürfte. Ökonomen veranschlagen das mögliche Ausmaß künftig zugestandener Strafzollerhebungen für die EU sogar auf bis zu 11 Mrd., realistisch dürfte ein eingeräumtes Volumen von EU-Strafzöllen aber ähnlich wie das der USA ausfallen, nämlich rd. 7,5 Mrd. USD.
Als Hintergrund für derartige Kalkulationen bedienen sich Ökonomen vor allem der vergleichenden Exportstruktur von AIRBUS in die USA versus BOEING nach Europa. In dieser Hinsicht waren die beiden Erzkonkurrenten in 2018 nahezu exakt ebenbürtig, und zwar mit einer Flugzeugausfuhr in die USA bzw. nach Europa in Höhe von rd. 13 Mrd. USD. Der zurückliegende volkswirtschaftliche Schaden, der beiden Kontinenten durch die jeweiligen Subventionierungen von Airbus und Boeing entstanden ist, dürfte also vermutlich relativ identisch gewesen sein, und dies müsste dann auch konsequenter Weise für den nun eingeräumten Strafzollrahmen durch die WTO gelten.
Es ist daher stark davon auszugehen, dass sich die eingeräumten USA- und EU-Volumina der Strafzölle weitgehend neutralisieren werden. Auch beträfe der gesamte Strafzollumfang von 7,5 Mrd. USD (wobei hier die künftige volle Ausschöpfung dieses Rahmens ja noch völlig offen ist) nur rd. 2,4 % des gesamten EU-Güterhandelsaufkommens mit der USA. Aus Sicht der USA würde das gleiche Strafzollmaß sogar nur rd. 1,3 % des gesamten 2018er US-Güterexportwertes in die EU ausmachen. Gesamtwirtschaftlich sind also die direkten Effekte der Strafzölle zwischen USA und Europa auch weiterhin selbst bei der jetzigen Verschärfung vernachlässigbar. Wesentlich stärker wird dagegen noch immer der indirekte Belastungseffekt auf die Ökonomien der USA und Europas ausfallen, der in der Beeinträchtigung der allgemeinen Wirtschaftswachstumsraten infolge der weltweiten Handelsdrosselung durch die erhobenen Importzölle seinen Ausdruck findet (z. B. erwartetes reales BIP-Wachstum der EU in 2019 nur noch rd. 1,1 %, dagegen in den USA rd. 2,1 %).
Direkte Strafzoll-Auswirkungen auf AIRBUS und BOEING
Hinsichtlich ihrer Produktions- und Flottenstrukturen sind AIRBUS und BOEING in den USA sowie Europa trotz fast identischer Export-Umsätze von 13 Mrd. USD nach USA/Europa doch sehr unterschiedlich aufgestellt.
Der wesentlichste Unterschied in den Produktionsstrukturen beider Unternehmen liegt darin, dass lediglich AIRBUS ein Endmontagewerk in den USA besitzt, und zwar die 2013 in Betrieb gegangene, mehr als 1000 Angestellte beschäftigende Fertigungsstätte Mobile/Alabama. Darüber hinaus existiert eine Komponenten-Konstruktionseinheit in Wichita/Kansas, die 500 Angestellte unterhält. Allein im schwerpunktmäßig gefertigten Modell des Mittelstreckentyps A 320 lieferte Alabama bis Ende 2018 rund 100 Flugzeuge aus, was z. B. bereits 50 % aller A320-Maschinen sind, die die größten US-Airlines Delta, United und American Airlines insgesamt aktuell in ihrem Flottenbestand unterhalten.
Dagegen verzeichnet BOEING keinerlei Endmontage-Aktivitäten in Europa, sondern betreibt seit 2018 lediglich eine Komponentenfertigung in Sheffield / Großbritannien.
Dies erklärt auch, warum die US-Regierung selbst nach dem jetzigen WTO-Zugeständnis nahezu völlig davon absah, von einer rechtlich theoretisch möglichen 100%- Strafzollerhebung auf ganze Flugzeug- sowie Komponenten-Importe realen Gebrauch zu machen, sondern derartige Strafzölle nahezu ausschließlich auf Nahrungsmittel und Modeartikel „umverteilte“. So bleiben Importe von EU-Flugzeugteilen in die USA weiterhin völlig strafzollbefreit, auf komplette Flugzeugimporte wird lediglich ein Strafzoll von 10 % erhoben (im Gegensatz zu 25 % für o. g. Konsumgüter). Mit einer scharfen Strafzollerhebung gegen das gesamte Importsegment von EU-Flugzeugen (natürlich fast ausschließlich von Airbus dominiert) hätte sich die USA nämlich gleich in zweierlei Hinsicht stark ins eigene Fleisch geschnitten.
Zum einen hätte dies (über dringend benötigte Importe von Airbus-Komponenten) die Endmontagen in Alabama verteuert und damit den dortigen aktuellen rasanten, strategischen Kapazitäts- und Stellenausbau völlig konterkariert. Zum anderen hätte dies auch dem Geschäftsbetrieb aller führenden US-Luftfahrtgesellschaften erheblich geschadet. Denn selbst auch bei diesen befindet sich AIRBUS mittlerweile in zunehmender technologischer Wertschätzung und verzeichnet dort robuste Bestellzuwächse, wie z. B. auch die nennenswerten Airbus - Flottenanteile bei United Airlines (23 %), Delta Airlines (32 %) und American Airlines (46 %) deutlich signalisieren.
Diese wachsende Reputation von Airbus wird dabei sicherlich auch selbst in den USA weiterhin von den zurückliegenden Boeing 737 Max 8 - Absturzkatastrophen beflügelt. Angesichts der nahezu weltweit fortbestehenden Startverbote für Maschinen der Boeing 737 Max-Reihe verzeichnete Airbus zuletzt sprudelnde Auftragseingänge gerade im hierzu vergleichbarsten Typ des für Langstrecken verbrauchsoptimierend umgerüsteten A 320 Neo, was damit auch mit Sicherheit weiterhin eine tragende Säule für das aktuelle Airbus-Geschäft sein wird.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass gerade die Airbus-Kernmontageländer Frankreich, Deutschland und Spanien deren Erzkonkurrent Boeing aufgrund o. g. Abstürze wie auch einer stärkeren Flottenüberalterung mit wachsender Zurückhaltung begegnen und ihre Flotten ebenfalls zunehmend auf Airbus-Maschinen umrüsten (Boeing-Flottenanteile: Iberia 0 %, Lufthansa 11 %, Air France 36 %, British Airways 44 %).
Ein beträchtliches Drohpotenzial hält die EU somit weiterhin in der Hinterhand, sollte sie nach künftig zugestandenen Strafzollerhebungen durch die WTO diese dazu nutzen, ganze Boeing-Importe in einem stärkeren Maße mit derartigen Sanktionen zu belegen, als das derzeit für Airbus in den USA zu erwarten ist. Denn da ausländische Boeing-Käufe (anders als im umgekehrten Fall bei Airbus / Werk Alabama) weltweit generell fast ausschließlich US-Importe sein dürften, würde jede direkte Strafzoll-Erhebung für Boeing-Flugzeuge (genauso auch aus China, wo Airbus im Unterschied zu Boeing ebenfalls ein Endmontagewerk unterhält) deren Geschäft sofort und unmittelbar belasten.
Bildnachweis: © Deutsche Lufthansa AG
Aktieneinschätzung und Anlageempfehlung AIRBUS vs. BOEING
Anhand der geschilderten unterschiedlichen EU-US-Produktions- und Flottenausstattungs-Strukturen von AIRBUS und BOEING kann also festgehalten werden, dass sich AIRBUS hinsichtlich der Gefahr und Auswirkungen möglicher wechselseitiger (eskalierender) Strafzollerhebungen künftig in jedem Fall in einer komfortableren Situation befinden dürfte, als dies für BOEING zu erwarten wäre.
Auch generell holt Airbus vor allem dank glänzender Akzeptanz seines Mittelstrecken- Kernmodells A320, auf das zuletzt knapp 80 % aller Auslieferungen entfielen und das künftig verstärkt durch den verbrauchsoptimierten A320 Neo auf Langstrecken ergänzt wird, rasant auf. Während nämlich Airbus in den letzten Jahren hinsichtlich der Fertigungszahlen erkennbar beständig hinter der hoch produktiven Boeing lag, so hat sich dieses Bild doch bereits in 2018 gewandelt. Denn in 2018 lieferte Airbus mit 800 Stück nur noch 6 Flugzeuge weniger als Boeing aus und erhöhte den Output damit im Gesamtjahr um über 80 Maschinen, während die Produktionsleistung bei Boeing nur um gut 40 Flugzeuge stieg. In 2019 dürfte sich dieses Auslieferungsbild nach zahlreichen Bestellstornierungen für die Boeing 737 Max-Reihe nach unserer Erwartung weiter klar zu Gunsten von Airbus verschoben haben.
Und noch klarer wird die Aufholjagd von Airbus gegenüber Boeing, wenn man sich per Ende 2018 den sog. Orderbacklog, also die Anzahl vertraglich bestellter, jedoch noch nicht ausgelieferter bzw. noch in Fertigung befindlicher Flugzeuge betrachtet. Hier brachte es Airbus zum Ende letzten Jahres auf rd. 7600 Maschinen, Boeing dagegen nur auf knapp 6000. Der Orderbestand beträgt gemessen an o.g. Produktionsleistungen bei Airbus somit aktuell satte 9,5 Produktionsjahre, während es Boeing dagegen „nur“ auf (jedoch natürlich immer noch sehr ansehnliche) 7,5 Produktionsjahre bringt.
Hinsichtlich der Bewertung liegen beide Aktien aktuell annähernd gleichauf mit einem geschätzten KGV (2020e) von rd. 16. Auch wenn Boeing aktuell über eine 3 % höhere operative Profitabilität als Airbus verfügt (Gewinnmarge 14 % vs. 11 %), so ist unseres Erachtens jedoch klar höher zu bewerten, dass Airbus mittlerweile eine klar höhere Modellvielfalt und Preisgestaltungs-Flexibilität (auch in Fragen künftiger Zollkompensationen) aufweist, als dies für Boeing gilt. Aus diesem Grund erwarten wir für die kommenden Jahre eine zunehmende Geschäftsüberlegenheit von Airbus, die jedoch in den aktuell fast gleich hohen KGV-Niveaus zu Unrecht kaum zum Ausdruck kommt. Wir räumen daher der AIRBUS-Aktie gegenwärtig auch weiterhin den anlagestrategischen Vorzug gegenüber BOEING ein.
06.10.2019 - Matthias Reiner - mr@ntg24.de
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