Verzockt sich ThyssenKrupp mit seiner Stahlsparte jetzt ein weiteres Mal erheblich?
Aussichten trüben sich ein
Seit gestern steht die Thyssen-Aktie unter einem vergleichsweise heftigen Abverkaufsdruck. So fiel das Papier seitdem bislang in der Spitze um mehr als 13 %. Allerdings liegt die Ursache für den jetzigen Kursrückgang ausnahmsweise nicht beim Essener Unternehmen selbst.
Bislang kannten die Stahlpreise in diesem Jahr eigentlich nur den Weg nach oben. Allerdings hat sich die Großwetterlage am Stahlmarkt seit Wochenbeginn deutlich eingetrübt, was nach dem überaus starken Anstieg der Preise aber auch vollkommen normal ist. Hierunter litt in Deutschland vor allem der Anteilschein von ThyssenKrupp (DE0007500001), welcher jetzt wieder spürbar unter die psychologisch wichtige Marke von 10 Euro gefallen ist. Mit den jüngsten Entwicklungen muss der Boom in der Stahlbranche nicht zwangsläufig vorbei sein. Dennoch ist der jüngste Preisrückgang ein Warnzeichen, welches keinesfalls ignoriert werden sollte.
Zum einen ist es vollkommen normal, dass die Stahlpreise nach einer Phase der ausgeprägten Stärke auch einmal Luft holen. Allerdings sind die Notierungen für den Grundstoff wegen des Nach-Corona-Booms in China und den Vereinigten Staaten in den vergangenen Monaten so stark gestiegen, dass keinesfalls eine längere Konsolidierungsphase bei den Stahlpreisen ausgeschlossen werden kann. Zudem dürften viele Lieferketten bald reibungslos funktionieren, was auf dem aktuellen Preisniveau bald dazu führen sollte, dass das Stahlangebot deutlich anzieht.
Hat ThyssenKrupp den Exit verpasst?
In den vergangenen zehn Jahren haben die NRWler ohnehin kaum Glück mit ihrer Stahlsparte gehabt. So verlor der Konzern 8 Milliarden Euro bei dem Versuch, noch stärker in den Vereinigten Staaten und Brasilien Fuß zu fassen, wobei die Firma insbesondere massive Pannen beim Bau eines neuen Stahlwerks verkraften musste. Erst nachdem sich Thyssen im Jahr 2017 für 1,5 Milliarden Euro von seinem Werk in Brasilien getrennt und dieses an den Konkurrenten Ternium (US8808901081) verkauft hatte, schrieb die Anlage Gewinne.
Ein weiteres Mal enttäuschte die lange kriselnde Gesellschaft, nachdem Vorstandschefin Martina Merz Anfang Mai einem möglichen Börsengang der Stahlsparte für dieses Jahr eine Absage erteilte. So teilte die Firmenlenkerin vor gut einem Monat mit, dass man sich selbst keinen Zeitdruck gemacht habe und ein solcher Schritt gut durchdacht sein müsse. Dies ist sicherlich korrekt. Allerdings könnte Thyssen das optimale Zeitfenster für ein mögliches IPO angesichts der extrem stark schwankenden Stahlpreise verpassen. So dürfte die Sparte wieder an Wert verlieren, wenn sich der Stahlmarkt bis Anfang 2022 wieder abkühlt, was mit den jüngsten Entwicklungen jetzt etwas wahrscheinlicher geworden ist.
Das Fazit:
Nachdem die Aktie zwischen November 2020 und März 2021 eine deutliche Erholungsbewegung vollzogen hatte, pendelte die Aktie bis Anfang Mai im Bereich um die Marke von 11 Euro. Mit der Absage an einen schnellen Börsengang der Stahlsparte und den jüngsten Entwicklungen bei den Stahlpreisen hat sich nun ein steiler kurzfristiger Abwärtstrend herausgebildet. Dieser könnte sich deutlich weiter fortsetzen, sofern die Stahlpreise weiter fallen. Allerdings besteht für den Konzern dennoch die Hoffnung, dass sich der Markt zumindest kurzfristig wieder erholt. Die Entscheidung, einen möglichen Börsengang der Stahlsparte erst im kommenden Jahr zu vollziehen, könnte sich aber als ein neuer grober Fehler erweisen, weshalb der Titel aktuell nur eine Halteposition ist.
16.06.2021 - Tim Rademacher - tr@zuercher-boersenbriefe.ch
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