Jetzt muss auch der Betriebsrat bei VW den Ernst der Lage erkennen
Ohne Betriebsrat-Einsicht droht der komplette Verlust der Wettbewerbsfähigkeit
Neues Sparprogramm erhitzt die Gemüter bei Volkswagen. Die Ankündigung von potenziellen Werksschließungen macht die Gewerkschaften fassungslos. Jetzt mischt sich auch Wirtschaftsminister Habeck ein.
Der größte europäische Autobauer Volkswagen (DE0007664005) leidet weiter unter der schwachen Marge des Gesamtkonzerns. Die Kernmarke ist nun sogar hinter das Volumensegment, zu dem unter anderen die Marken Seat und Skoda gehören, zurückgefallen. Dies führt nun zum schnellen Handeln von Seiten der Vorstände. Das Sparprogramm soll noch erweitert werden und es werden wohl auch keine Werksschließungen sowie betriebsbedingte Kündigungen mehr ausgeschlossen. Die Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung, die mit dem Betriebsrat seit den späten 90er-Jahren besteht, soll aufgehoben werden.
Währen im letzten Quartal Vorstandsvorsitzender Oliver Blume noch ein umfassendes Sparprogramm angekündigt hatte, wird der Ton nun merklich rauer. In einer Pressemitteilung ist nun sogar von einer umfassenden Restrukturierung die Rede. Dies führt dazu, dass auch Werksschließungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten nicht mehr ausgeschlossen werden können. Um die neu gesteckten Einsparziele zu erreiche sei zudem das aktuelle Abfindungsprogramm nicht mehr effizient genug und es soll zusätzliches Personal entlassen werden.
Der neue Kurs ist für Gewerkschaft und auch Betriebsrat nicht akzeptabel und beide Seiten kündigten mit sofortiger Wirkung massiven Widerstand gegen die Pläne an. Die Pläne seien auch als Angriff auf die Beschäftigung und die Tarifverträge zu verstehen. Während der IG-Metall Bezirksleiter von einem unverantwortlichen Plan sprach, versprach die Betriebsratsvorsitzende Cavallo, dass es mit ihr keine Standortschließungen geben wird. Ob sich mit solchen Aussagen allerdings der Automobilstandort Deutschland retten lässt, bleibt abzuwarten. Aktuell gibt es laut Vorstand noch keine konkreten Pläne, wie viele der weltweit 120.000 Beschäftigten gehen sollen.
Problem für VW könnte die Situation im Aufsichtsrat werden, da auch das Land Niedersachen fast 20 % der Anteile an VW hält, sind neben Ministerpräsident Weil noch weitere Politiker im Aufsichtsrat vertreten. Sogar mehr als 50 % und damit die Mehrheit der Stimmen fallen auf Politiker, Gewerkschafter oder den Betriebsrat und alle Parteien wehren sich erheblich gegen potenzielle Standortschließungen. Ministerpräsident Weil sieht die Standortschließungen als letzten Ausweg, vorher sollen noch alle weiteren Alternativen geprüft und eruiert werden.
Werksschließungen gab es bei VW schon seit Jahren nicht mehr. Die letzten datiert zurück auf das Jahr 1988. Damals hatte VW eine Produktionsfabrik in den USA geschlossen. Eine Fabrik in Deutschland wurde noch nie in der Unternehmensgeschichte geschlossen und dies Stand auch noch nie auf dem Plan. Doch auch Audi hatte bereits zu Beginn des Jahres das wenig ausgelastete Audi-Werk in Brüssel auf den Prüfstand gestellt. Dieses ist spezifisch für die Elektro-Modelle von Audi umgerüstet worden und erreicht aktuell aufgrund der geringen Nachfrage nicht mal 50 % der maximalen Auslastung.
Volkswagen in Deutschland vor dem Aus?
Laut Konzernchef Blume ist die schwierige Marktsituation schuld an der Notwendigkeit des starken Sparkurses. Blume sprach von einer sehr anspruchsvollen und ernsten Lage, in der sich die europäische Automobilindustrie aktuell befindet. Zudem sei in den nächsten Jahren nicht mit einer Normalisierung der Situation zu rechnen, der Kostendruck wird sich vielmehr noch steigern. Jetzt bietet sich dem Konzern noch die Möglichkeit aktiv der Entwicklung gegenzusteuern bevor die Situation unkontrollierbar wird.
Erstmals seit seiner Ernennung zum CEO steuert Blume nun auf den ersten ernsten Konflikt mit der Arbeitnehmerseite des Konzerns zu. Währen sein Vorgänger Herbert Diess wiederholt den Konflikt mit der Arbeitnehmerseite gesucht hatte, war Blume bislang auf Harmonie aus. Auch in der aktuellen Situation bekommt man als Investor das Gefühl, dass sich Blume hinter seinen Markenvorständen versteckt, um nicht ins Kreuzfeuer zu geraten. Nahezu alle wichtigen Ankündigungen ließ er von Kernmarken-Chef Thomas Schäfer verkünden.
Laut Betriebsrat hat VW nun eine aktive Kriegserklärung an die Arbeitnehmer gesendet. Cavallo sprach sogar von einer Zeitenwende und sah den Grundkonsens, dass Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung gleichberechtigte Ziele seien erschüttert. Dabei stellt sich allerdings schon die Frage, was Frau Cavallo lieber wäre, ein Aufbrechen der Beschäftigungssicherung oder der Verlust von Zehntausenden Arbeitsplätzen in Deutschland.
Die Kernmarke bleibt das größte Sorgenkind bei Volkswagen. Auf Basis der operativen Rendite liegt man meilenweit hinter dem Konzernschnitt und den selbstgesteckten Zielen zurück. Auch die Umsetzung des 2023 begonnen Sparprogramms scheint schwieriger als erwartet. Laut des Sparprogramms sollen alleine die Kosten in der Verwaltung um 20 % reduziert werden. Doch die hohen Rückstellungen für die Abfindungen fressen aktuell noch den positiven Effekt auf. Allein in Q1 des Jahres wurden die Rückstellungen für Abfindungen um weitere 900 Millionen Euro erhöht.
Doch nicht nur die hohen internen Kosten machen dem Konzern zu schaffen. Hinzu kommt enormer Druck von außen und dem Marktumfeld. Die Verkaufszahlen bei VW stagnieren seit Jahren und die Absatzzahlen der Elektro-Modelle sind weiterhin besorgniserregend. Der schwache Absatz und die starke Konkurrenz aus China, mit deutlich günstigeren Modellen, drücken die Wettbewerbsfähigkeit weiter.
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24.09.2024 - Christian Teitscheid
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