Amazon schreibt hohe Verluste und die Anleger freuen sich auch noch darüber
Besser als erwartet
Zum zweiten Mal in Folge musste Amazon im vergangenen Quartal hohe Verluste ausweisen. Das Nettoergebnis belief sich auf ein Minus von rund zwei Milliarden USD. Ein Jahr zuvor konnten noch 7,8 Milliarden USD an Gewinn verzeichnet werden. Dennoch reagierten die Anleger geradezu euphorisch auf die Ergebnisse.
Der einzige Grund dafür liegt darin, dass Amazon (US0231351067) das zweite Quartal letztlich besser abschließen konnte, als die Analysten es erwartet hatten. Mit Blick auf die hohe Inflation und große Sorgen um die Konsumstimmung wurde schon damit gerechnet, dass die Zahlen bei Amazon vollkommen in Richtung Keller abstürzen könnten. Stattdessen gab es hier und da aber sogar Wachstum zu sehen.
Vor allem die Umsätze konnten die Börsianer überzeugen. Mit 121,2 Milliarden USD konnte der Online-Gigant etwa sieben Prozent mehr einnehmen als noch im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das hatte angesichts der vielen Krisen und der Zurückhaltung der Verbraucher kaum jemand auf dem Zettel. Da wird auch schon gerne mal ignoriert, dass der Konzern unter dem Strich enorme Verluste einfahren musste. Existenzbedrohen sind die angesichts einer prall gefüllten Kasse ohnehin nicht, sodass die gute Stimmung auch durchaus nachvollziehbar ist.
Hauptsächlicher Wachstumsmotor war jedoch einmal mehr nicht das Kerngeschäft mit dem Online-Handel. Stattdessen rettete das Cloud-Geschäft Amazon im vergangenen Quartal wieder einmal die Bilanzen. Mit einem Plus von über 30 Prozent konnten die Umsätze allein hier auf 19,8 Milliarden USD gesteigert werden. Dank geringer Kosten gibt es hier auch noch phänomenale Margen und die Gewinne im Segment konnten um 36 Prozent auf 5,7 Milliarden USD gesteigert werden. Schmerzliche Verluste beim Versandhandel konnten damit deutlich abgefedert werden. Das spricht zwar recht deutlich dafür, dass es bei Amazons Brot-und-Butter-Geschäft noch immer massive Herausforderungen gibt. Dafür scheinen sich die Börsianer aber schlicht kaum zu interessieren.
Das kann sich sehen lassen
Im nachbörslichen Handel kam es bei der Amazon-Aktie zu einem regelrechten Kaufrausch. Um 13,6 Prozent konnte das Papier sich verbessern und damit mit einem Satz den höchsten Stand seit Ende April erreichen. Die größten Sorgen scheinen sich erst einmal in Luft aufgelöst zu haben und die Bullen wagen wieder einen weitaus optimistischeren Blick in Richtung Zukunft.
Denn wenn Amazon schon in Krisenzeiten die Erwartungen übertreffen kann, werden die Aussichten umso besser, sollte sich die Situation am Gesamtmarkt wieder etwas aufhellen. Vermutlich wird die Aktie des Konzerns noch eine Weile von den jüngsten Ergebnissen profitieren können und zumindest eine Bodenbildung auf einem höheren Niveau als in den letzten Wochen wäre da wohl eine logische Konsequenz. Ob es auch für eine neuerliche Hausse reicht, ist angesichts der noch immer vielen Probleme aber dann doch noch etwas fraglich.
Der Blick in die Glaskugel
Fast noch mehr als über die Ergebnisse im letzten Quartal dürften die Anleger sich über den Ausblick bei Amazon gefreut haben. 125 Milliarden bis 130 Milliarden USD werden für das dritte Quartal in Aussicht gestellt, womit zumindest das obere Ende der Range über den Erwartungen der Analysten liegt. Mit dafür verantworlich sollen höhere Preise für das Prime-Abo sein, wovon Amazon sich offenbar keinen großen Exodus bei den Nutzern erwartet.
Zuletzt lassen sich die Verluste aus dem letzten Quartal auch etwas relativieren. Unternehmensangaben zufolge ist dafür vor allem eine Abwertung an der Beteiligung des Autobauers Rivian (US76954A1034) verantwortlich, welche mit einem Minus von 3,9 Milliarden USD zu Buche schlägt. Rechnet man das heraus, schaffte es Amazon dank der Cloud sogar, einen Gewinn auf die Beine zu stellen. Unter dem Strich sieht es für den Online-Händler also weitaus besser aus, als es die meisten zuvor noch angenommen hatten. Allein diese einfache Tatsache reicht aus, um der Aktie ordentlich Rückenwind zu verleihen.
29.07.2022 - Andreas Göttling-Daxenbichler
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