Zoom muss zunehmenden Verdrängungswettbewerb durch Microsoft fürchten
Zoom-Aktie ist aktuell ein höchst riskantes Investment
Im Rahmen der aktuellen Hausse bei Tech-Werten haben viele Papiere mittlerweile extrem hohe Bewertungsniveaus erreicht. Teilweise sind die sprunghaft gestiegenen Aktienkurse auch gerechtfertigt, sofern die jeweilige Firma über eine herausragende Technologie verfügt und sich gegenüber der Konkurrenz einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erarbeitet hat. Das Unternehmen Zoom Video Communications (ISIN: US98980L1017; WKN: A2PGJ2) hat mit seiner Software zur Online-Kommunikation lange Zeit ebenfalls die Investoren begeistert. Allerdings erreichte die Gesellschaft mit 160 Milliarden US-Dollar eine Marktkapitalisierung, die jenseits von Gut und Böse war. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Rivale Microsoft mit seinem Produkt Teams immer mehr an Dominanz in diesem Segment gewinnen dürfte.
Nachdem Zoom Ende November gute, aber nicht erstklassige Zahlen für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2020/21 (per Ende Januar) verkündet hat, wächst nun bei vielen Experten die Skepsis, ob der astronomische Börsenwert wirklich auch gerechtfertigt ist. Zwar konnte das Unternehmen seinen Umsatz im Zeitraum von August bis Oktober um 367 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum steigern, dennoch hat dies viele Anleger nachdenklich gestimmt, da sie insgeheim mit einem noch dynamischeren Wachstum gerechnet haben.
Zoom-Aktie kennt aktuell kaum einen Halt
Erreichte der Anteilschein am 19. Oktober 2020 bei 588,84 US-Dollar sein bisheriges Allzeithoch, so fiel Titel bis heute um rund 34 % zurück. Dennoch wird der Anteilschein mit einem geschätzten 2020/21er-KGV von 210 gehandelt. Zudem dürfte das Unternehmen im kommenden Fiskaljahr nicht mehr von einer Corona-bedingten Sonderkonjunktur profitieren, wobei zugleich ein weitaus intensiverer Wettbewerb mit dem weltweiten Softwaregiganten Microsoft, aber auch anderen Anbietern zu erwarten ist. Entsprechend erwarten die Analysten im kommenden Fiskaljahr einen leicht rückläufigen Gewinn, woraus sich im Konsens ein geschätztes 2021/22er-KGV auf 222 ergibt.
Aufgrund der fundamentalen Rahmenbedingungen sind die Risiken für die Zoom-Aktie auch auf dem aktuell deutlich reduzierten Kursniveau sehr immens. So dürfte die Notierung noch weitaus deutlicher fallen, sofern Zoom technologisch, aber auch beim Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mit Microsoft mithalten kann. Da der Konkurrent über eine ausgezeichnete Entwicklungsabteilung verfügt sowie mit einer aggressiven Preisgestaltung sein Produkt Teams quersubventionieren kann, könnte Zoom mittelfristig in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.
Wie schnell sich technologische Trends zu Ungunsten eines Wettbewerbers von Microsoft verändern können, zeigt das Beispiel des Netscape-Browsers Ende der 1990er Jahre. Hatte das Unternehmen zunächst einen extrem hohen Marktanteil mit seinem Produkt, so geriet Netscape durch den Internet Explorer von Microsoft zunehmend ins Hintertreffen. Nach relativ kurzer Zeit nutze nur noch eine verschwindend geringe Anzahl von Anwendern den Netscape-Browser, weshalb die Aktie damals die hohen Erwartungen der Investoren keineswegs erfüllen konnte.
Fazit:
Aktuell ist die Zoom-Aktie höchstens für extrem spekulative Investoren mit einem kurzfristigen Anlagehorizont geeignet. Die Chancen, dass sich Zoom langfristig im Verdrängungswettbewerb durchsetzt, sind - nüchtern betrachtet - unserer Einschätzung nach vergleichsweise gering. Deshalb dürfte der hohe Börsenwert der Firma nicht gerechtfertigt sein. Sicherlich gibt es viele aussichtsreiche Titel, die trotz eines KGVs von über 200 kaufenswert sind. Allerdings sollte ein solches Unternehmen über eine hinreichend hohe Wachstumsdynamik sowie hohe Markteintrittsbarrieren verfügen. Gerade im Rahmen der aktuellen Euphorie bei Tech-Aktien sollten jetzt Anleger vor einem Investment ganz genau hinschauen, ob das Geschäftsmodell auch langfristig erfolgsversprechend ist.
14.12.2020 - Tim Rademacher - tr@zuercher-boersenbriefe.ch
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