BÖRSE TO GO - mit Amazon, Nestlé und Nemetschek
Draghi verpasst dem Markt einen Dämpfer
Guten Morgen,
die Enttäuschung hätte bei 41 Grad Außentemperatur nicht größer ausfallen können. Entgegen allen Erwartungen hat sich Signore Draghi in eine abwartende Stellung begeben und den Märkten lediglich ein Häppchen in Form einer lapidaren Ankündigung serviert. Man halte sich „alle Optionen offen“. Immerhin, und das darf als positives Zeichen gesehen werden, ist die EZB offenkundig nicht der Auffassung, dass eine Rezession unmittelbar vor der Tür steht. Dem pflichten wir natürlich bei. Damit verschieben sich alle weiteren geldpolitischen Hoffnungen auf den September, dem nächsten Termin einer regulären EZB-Sitzung.
Bis dahin wird es für die Börsen, insbesondere dem DAX, etwas mühsam werden. Denn ohne unmittelbare Zusagen in Richtung Geldspritze und schlechter Stimmungslage, was den weiteren Verlauf der Konjunktur betrifft, wird es der Markt schwer haben, einen Strohhalm zu finden. Die bislang etwas durchwachsene Berichtssaison diesseits des Atlantiks ist ebenfalls kaum geeignet, die psychische Verfassung des Markts zu festigen. Was bleibt, ist die nackte Betrachtung der Zahlen und der Aussagen der jeweiligen Unternehmensführungen.
Deutschland hat dabei ein besonderes Problem...
... die hohe Abhängigkeit vom Auto. Denn auch im Juli signalisieren die Stimmungsindikatoren der Einkaufsmanager, dass die deutsche Industrie das Sorgenkind bleibt. Vor allem wegen des Schlamassels des Automobilsektors, der wegen geopolitischer Spannungen, Brexit und angespannter Handelsbeziehungen immer tiefer rutscht. Wenn wir die vorliegenden Daten auswerten, dürfte der Sektor derzeit mit einer Rate von annähernd 1 % auf Quartalsbasis schrumpfen. Nur Dank des soliden Wachstums des Servicesektors und des Baus kann sich die deutsche Wirtschaft im Moment gerade noch so über Wasser halten.
Die Herausforderung: Die USA oder China werden die deutsche Automobilbranche nicht retten können. Es liegt nicht allein am Handelskonflikt, sondern an der bitteren Erkenntnis, dass viele Jahre lang der Wandel in diesem Sektor verschlafen wurde. China wird schon bald, so wie Japan in den 80er und 90er Jahren, eigene gute Autos bauen und die USA ohnehin. Dass sich der chinesische Kooperationspartner BAIC nun 5 % der Anteile an DAIMLER gesichert hat und damit zum drittgrößten Aktionär aufsteigt, ist langfristiges Kalkül der Chinesen. Die beiden fernöstlichen Aktionäre BAIC und der GEELY-Gründer Li Shufu halten zusammengerechnet fast 15 % der Anteile. Warten wir mal ab, wohin diese Reise geht, aber wir haben die Vermutung, dass die Konsolidierung der Branche stark zu Lasten der heimischen Marken ausfällt.
Berichtssaison läuft weiter sehr durchwachsen
Vor diesen Hintergründen dreht sich der Berichtsreigen zum zweiten Quartal weiterhin in voller Fahrt. Gestern stand in Amerika der E-Commerce-Gigant AMAZON auf dem Programm. Dieser konnte seinen Gewinn um 4 % auf 2,6 Milliarden Dollar steigern. Allerdings blieb man damit deutlich unter den Analystenprognosen. Mit der Folge, dass nachbörslich die Aktie erst einmal in die Knie ging. Dass AMAZON hier die Latte riss, lag in der Hauptsache daran, dass die Kosten auch kräftig um 21 % auf über 60,3 Milliarden Dollar anstiegen. Dem stand ein Umsatzplus von 20 % auf 63,4 Milliarden Dollar gegenüber.
Damit dürfte es schwierig werden, den jüngst angepeilten Break des Allzeithochs bei 2039 Dollar im Auge zu behalten. Kurzfristig ist hier sicherlich erst einmal mit einigen Gewinnmitnahmen zu rechnen. Wir taxieren das Rückschlagspotenzial in den Bereich von 1.830-1.860 Dollar. Das liegt noch weit entfernt von unserem bisherigen Stopp-Loss, den wir allerdings in den nächsten Tagen dann zur Überprüfung stellen.
In Europa kann NESTLÉ punkten. Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern meldete heute früh für das erste Halbjahr einen Erlösanstieg um 3,6 % auf 45,46 Milliarden Franken. Dies auf bereinigter Basis. Damit lag auch NESTLÉ etwas unter den Erwartungen. Doch dürfte sich hier möglicher Druck durch Gewinnmitnahmen relativ in Grenzen halten, weil NESTLÉ gleichzeitig auch seine Jahresprognose bestätigte. Diese soll ein Wachstum von rund 3,5 % beim organischen Umsatz bringen, während bei der operativen Marge ein Wert von 17,5 % bzw. darüber angepeilt wird.
Nach der kräftigen Rallye in diesem Jahr sieht es etwas danach aus, als wenn das Momentum nachlässt. Wir sehen hier allerdings noch keine allzu großen Rückschlagsgefahren, die diesen Trend grundsätzlich verletzen würden. Deshalb bleibt es bei unserer Investment-Empfehlung.
Und noch eine deutsche Spezialität. Denn der Anbieter von Bausoftware NEMETSCHEK hat im zweiten Quartal überraschend profitabel gearbeitet. Auf Basis des EBITDA verbesserte sich das operative Ergebnis um 28,6 % auf 40 Millionen Euro. Dies entspricht einer Marge von 29 %. Der Umsatz verbesserte sich um gut 21 % auf 137,8 Millionen Euro. Dabei profitierte das Unternehmen insbesondere von den weiteren Digitalisierungstrends beim Bauunternehmen und Architekturbüros.
Auch die NEMETSCHEK-Aktie notiert derzeit noch in der Nähe ihres Allzeithoch bei 57,30 Euro. Mit den neuen Zahlen in der Hinterhand könnte es hier sicherlich auf einen neuen Ausbruchsversuch hinauslaufen. Dem würden wir jetzt erst einmal nicht vorgreifen, NEMETSCHEK allerdings auf unsere interne Wunschliste setzen.
26.07.2019 - Carsten Müller - cm@ntg24.de
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