Delivery Hero: KEIN KAUF – Ob der Konzern in 2022 auch finanziell abliefert, bleibt sehr fraglich
Nach Jahresergebnis 2021 + Ausblick 2022 zu Recht massiv abgestraft
Am zurückliegenden Donnerstag und Freitag verzeichnete die Aktie des Essens-, Lebensmittel- und Medizinlieferdienstes Delivery Hero einen gewaltigen Aktienkurscrash um insgesamt – 39 %, nachdem der Kurs am 10.02. nach mäßigen Jahreszahlen 2021, aber insbesondere einem anschließend sehr ernüchternden Ausblick auf das laufende Jahr 2022 zunächst um – 30 % einbrach, tags darauf aber die Zurücknahme der neuesten Analysten-Kurszielprognosen um durchschnittlich – 40 % wie auch die BAFIN-Ankündigung, den Kurssturz vom 10.02. routinemäßig untersuchen zu wollen, die Aktie um weitere – 13 % in den Keller beförderte.
Der Aktiencrash von DELIVERY HERO (DE000A2E4K43) vom 10.02. um – 30 %, der damit pikanterweise auch ausgerechnet den bisher zweitgrößten historischen Tagesverlust eines DAX-Unternehmens seit dem – 71 %igen Kurszusammenbruch ihres DAX-Vorgängerunternehmens WIRECARD (DE0007472060) vom 18.06.2020 dargestellt hatte, war nach der zurückliegenden und bereits seit der Konzerngründung in 2011 ungebrochenen Serie wachsender Verlustanhäufungen, die auch in 2021 eine unerwartet deutliche Fortsetzung fand, dabei auch in dieser Größenordnung vollauf angemessen nachvollziehbar.
Schwache vorläufige 2021er Zahlen, weitere Gewinnenttäuschungen am 28.04. absehbar
So blieb der für 2021 ausgewiesene Bruttowarenwert ausgelieferter Speisen und Getränke mit rd. 35 Mrd. EUR, obwohl dies gegenüber dem Vorjahr einen stolzen Zuwachs um + 62 % bedeutet hatte, dennoch hinter den Analystenerwartungen zurück, da hiermit gleichfalls ein unverkennbarer Rückgang der Bestelleingänge vom 3. zum 4. Quartal einhergegangen war. Der sich aus den Provisionen auf diese Auslieferungen ergebende Konzernumsatzanstieg in 2021 um sogar + 89 % auf 6,6 Mrd. EUR war hingegen im Rahmen dieser Ergebnisvorlage die einzige Kenngröße, die hiermit wenigstens sogar das obere Ende der Analystenprognosen erreichte.
Die anschließende Bekanntgabe eines in 2021 gegenüber dem Vorjahr fast um 1/3 auf – 781 Mio. EUR ausgebauten EBITDA-Verlusts aus dem operativen Kerngeschäft sorgte hingegen bei Analysten wie Anlegern für Entsetzen, da zuvor im Konsens gemäß optimistischeren vorherigen Konzernankündigungen nur von einer EBITDA-Verlustmarge in Relation zum Warenauslieferungswert von - 2,0 % anstatt der nun eingetretenen - 2,2 % ausgegangen worden war, was in diesem Fall einem EBITDA-Verlust von „nur“ rd. – 710 Mio. EUR entsprochen hätte.
Die Verfehlung dieser auch selbst konzerneigenen Gewinnschätzung begründete der CEO von Delivery Hero, Niklas Östberg im Wesentlichen mit den expansionsbedingt massiv gestiegenen Ausgaben- und Personalkostenbelastungen, woran vor allem die 5,3 Mrd. EUR-Großakquisition des südkoreanischen Essens-Lieferdienstes Woowa, die 780 Mio. EUR-Anteilsaufstockung an der spanischen Multi-Warenlieferplattform Glovo auf nunmehr 84 %, eine Investitionsoffensive in der Türkei zur Abwehr des dort immer dominanteren Lieferservice-Startups Getir, die 8 %ige Beteiligung am jungen, aber demzufolge noch höher defizitären deutschen Schnelllieferdienst Gorillas für 200 Mio. EUR wie auch der weiter forcierte Ausbau ihrer mittlerweile 1000 weltweiten Supermarkt- und Medizin-Lieferungslager (mit jeweils einem Sortiment von durchschnittlich ca. 6000 Produkten !) einen entscheidenden Anteil hatten.
Nach diesem im Gesamtjahr 2021 somit erneut eingetretenen Ausgaben- und Verlustausweitungs-Exzess bereits auf operativer EBITDA-Ebene dürften unseres Erachtens mit hoher Wahrscheinlichkeit nun noch bedenklichere Verlustausweise auf den nachgelagerten Ebenen des operativen EBITs wie auch des gesamten Konzernfehlbetrags erfolgen, die Delivery Hero im kompletten Jahresbericht jedoch erst am 28.04. publizieren wird und was in dieser weiteren potenziell negativ überraschenden Unwägbarkeit sicher ebenso für das gerechtfertigte massive „Abschlachten“ der Aktie am 10.02. verantwortlich war.
Ausblick für 2022: Verlangsamtes Wachstum und weiterer EBITDA-Verlust
Als wäre diese Berichterstattung zum Gesamtjahr 2021 nicht schon kritisch genug gewesen, folgte anschließend jedoch ein zum völligen Unverständnis der Analysten und Anleger noch wesentlich zurückhaltender als in den letzten Quartalen ausgefallener Ausblick des Vorstands von Delivery Hero, gemäß dem in 2022 nicht nur das Auslieferungswachstum der Mahlzeiten mit + 26 % auf ca. 44 – 45 Mrd. EUR massiv hinter dem in 2021 noch verzeichneten Wachstum um + 62 % zurückbleiben, sondern dies genauso auch für das in 2022 mit + 44 % auf ca. 9,5 – 10,5 Mrd. EUR angepeilte Umsatzwachstum (in 2021 noch + 89 %) gelten dürfte.
Und schließlich verfehlte auch das vom Vorstand ausgegebene Ziel, unter Erreichung einer erstmaligen operativen EBITDA-Gewinnschwelle ab dem 2. Halbjahr die EBITA-Verlustmarge im Gesamtjahr 2022 auf ca. - 1,0 bis - 1,2 % des gesamten Essensauslieferungswerts begrenzen zu wollen, die Analysten-Konsenserwartungen klar, die zuvor bereits auch schon für das Gesamtjahr 2022 zum ersten Mal die Realisierung einer „schwarzen Null“ im operativen Konzern-EBITDA-Gewinn vor Abschreibungen erwartet hatten.
Expansionsfeldzug kein Generalrezept zur Behebung der Gewinnmisere
Aus diesen überraschend zurückhaltenden Umsatz- und gerade auch Gewinnprojektionen des Vorstands für 2022 wird somit gemäß dessen hiermit vollauf korrespondierenden Aussagen unverkennbar deutlich, dass Delivery Hero auch in 2022 ihre vehemente Expansionsoffensive gerade in ihren Schwellenlandbastionen der Märkte Asien, Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten wie auch (Süd)-Osteuropa weiterhin ungebremst fortzusetzen gedenkt, da nach den Worten von CEO Östberg selbst in der weiterhin prekären Gewinn- wie auch Bilanzverschuldungssituation (Bruttoverschuldung fast das 3fache des Eigenkapitals) das beste Rezept von Delivery Hero, um im „Haifischbecken“ der Essenlieferdienste ihren derzeit schärfsten Konkurrenten TAKEAWAY.COM (NL0012015705), GRUBHUB (US4001101025) und DELIVEROO (GB00BNC5T391) langfristig nachhaltig profitabel Paroli zu bieten, nach seiner Einschätzung auch weiterhin darin zu sehen ist, in jedem der besetzten Regionalmärkte eine weitestmögliche Marktführerschaft und damit vermeintlich am ehesten unangefochtene Wettbewerbs- und Gewinnposition aufzubauen.
In diesem aus unserer Sicht generell auch in Zukunft fraglos immer wettbewerbsintensiver und margenzehrender werdenden Metier der Essens- und auch sonstigen konsumnahen Lieferdienste bezweifeln wir jedoch grundsätzlich, dass eine forcierte, rein volumensgetriebene Marktanteilsexpansion um nahezu „jeden Preis“ (im Gegensatz zu einem von uns als wesentlich relevanter eingeschätzten, nachhaltig erzielten Warenqualitäts- und Servicevorsprung gegenüber Konkurrenten) langfristig einen entscheidenden Ausweg aus der aktuellen Kosten- und Gewinnmisere von Delivery Hero darstellen wird.
Wir schließen uns daher dem Analystenkonsens voll an, dass Delivery Hero in dem vom Vorstand weiter anvisierten „Expansionsfeldzug“ zumindest auf operativer EBIT- wie auch Nettogewinn-Ebene selbst bis 2024 unverändert Verluste schreiben dürfte und bis dahin die Bekanntgabe weiterer Gewinnenttäuschungen auch künftig keinesfalls ausgeschlossen werden kann.
Vor diesem Hintergrund raten wir von einem Einstieg in die mit einem KGV (2024e) von – 53 weiterhin äußerst strapaziert bewertete Aktie aktuell strikt ab und empfehlen Anlegern, den heute wieder erfolgten Aktien-Rebound um fast + 17 % auf knapp 50 EUR (der sich in den nächsten Tagen im allergünstigsten Fall sogar technisch weiter bis auf rd. 60 – 63 EUR fortsetzen könnte) zu einer konsequenten Veräußerung eventuell bestehender Positionen zu nutzen.
Chart: DELIVERY HERO
Delivery Hero auf TradingView
16.02.2022 - Matthias Reiner
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